Emmanuel Nunes: Improvisation II – Portrait

Das Werk entstand in enger Zusammenarbeit von Christophe Desjardins und dem Komponisten Emmanuel Nunes. Der Komponist hat Fjodor Dostojewskis fantastische Erzählung La Douce (Die Sanfte) für sich entdeckt, die er zu einem gleichnamigen musikdramatischen Werk verarbeitet hat. In der Geschichte setzt sich ein Mann in einer Art Monolog mit dem Selbstmord seiner erst 16-jährigen Frau auseinander, die sich aus dem Fenster gestürzt hatte. Das junge Mädchen sah keinen anderen Weg, sich der Enge ihrer Ehe zu entziehen. Nun erinnert sich der Mann an die einzelnen Stationen ihrer Begegnungen. Dieser Stoff war für Nunes auch Anstoß für kammermusikalische Auseinandersetzungen. Improvisation II – Portrait ist der zweite Teil des entsprechenden Zyklus, der ein Bild von »La Douce« und ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann gibt, wobei die Viola-Stimme das Pendant zur jungen Frau ist. ›Improvisation‹ meint dabei keineswegs das Festhalten eines schnelllebigen musikalischen Einfalls, sondern eine »Improvisation der Beziehung zu diesem Text«, so Nunes. Es gehe ihm darum, unterschiedliche Sichtweisen auf die beiden Protagonisten des Dramas frei zu entwickeln. Der Komponist verlangt für das Werk zwei Violen. Für eines der Instrumente fordert er eine Skordatur mit nur mikrotonaler Verschiebung gegenüber einer normal gestimmten Bratsche. Beide Instrumente alternieren im Laufe des Stückes. Den Part, den der Musiker auf der Bratsche mit Skordatur spielt, muss er zuerst auf einer normal gestimmten erlernen. Desjardins erinnert sich: »Als ich alle Fingerläufe und Bogenhaltungen verinnerlicht hatte, habe ich das Instrument umgestimmt und mit blinden Fingern gespielt. Dabei erklang etwas Neues, etwas, das sich aus der Partitur nicht sofort erschließen lässt.« Damit tritt etwas Fantastisches zu Tage. Und weiter erinnert sich Desjardins: »Nunes war emotional sehr berührt nach der Uraufführung. Seine Idee hat sich für ihn verwirklicht.«

Cornelia de Reese