Ihr Stück Flowers Endlessly Open hat die Komponistin Daniela Terranova im Wortsinn Trio Catch geradezu auf den Leib geschrieben. Ursprünglich geplant für ein Konzert im Oktober 2020 beim Festival Bludenzer Tage zeitgenössischer Musik, die jedoch der Covid-19-Pandemie geschuldet abgesagt werden mussten, wird das Stück nun bei Ultraschall Berlin 2021 uraufgeführt. Der Titel Flowers Endlessly Open ist ein ins Englische übersetzte Zitat aus der achten der Duineser Elegien von Rainer Maria Rilke. Deren erste entstand bei einem Aufenthalt des Dichters in Schloss Duino bei Triest. Daniela Terranova lebt heute selbst in Triest und schickt mit dem Titel einen italienischen Gruß nach Hamburg, der Stadt von Trio Catch. In der erwähnten achten Elegie wird die Sehnsucht nach einer Sphäre der Freiheit und des ungetrübten Glücks in einem Bild eingefangen, das »den reinen Raum vor uns, in den die Blumen / unendlich aufgehn« evoziert. Die Menschen, abgelenkt von den Geistern der Vergangenheit und den Plänen für die Zukunft, seien jedoch zu verblendet, um diesen intensiven Moment der Gegenwart zu erleben, heißt es im Gedicht. Genau diese Assoziation eines idealen Raums mit »flowers endlessly open« stellt sich bei Daniela Terranova ein, wenn sie das Trio Catch beim gemeinsamen Musizieren erlebt. »Ich war sehr beeindruckt, weil die Musikerinnen meines Erachtens wirklich in der Lage sind, mit ihren Gesten beim Spiel einen sehr besonderen Raum zu kreieren«, erläutert dies Daniela Terranova im Interview für Ultraschall Berlin. Dieser beschworene ideale Raum ist für die Komponistin Ort intensiven Erlebens der Gegenwart. Kunst vermöge tatsächlich diesen besonderen Ort herstellen, findet sie.
Daniela Terranova setzt sich beim Komponieren gerne mit den Persönlichkeiten auseinander, für die das Stück gedacht ist. In ihren Werken möchte sie die spezifischen und individuellen Charakteristika des jeweiligen Ensembles oder des Solisten einfangen. Im Kommentar zu Flowers Endlessly Open, der sich in der Vorbemerkungen der Partitur findet, heißt es: »Das Stück erforscht eine Palette fragiler Klänge, die eine instabile und veränderliche Textur bilden.« Das intensive Zusammenspiel, das sensible Reagieren aufeinander, das, was das Trio Catch nicht zuletzt auszeichnet, dies schlägt sich in Flowers Endlessly Open in einem Klangfluss nieder, in sich subtil verändernden Strukturen, die zart, wolkig, subtil vibrierend und schillernd reichhaltige Farbnuancen entfalten. In dieser Musik sind die gegenseitigen Entsprechungen zwischen den Instrumenten detailliert und äußerst fein ausgehört: So finden sich beispielsweise Teiltöne der Multiphonics aus der Klarinette in den Tonhöhen des Cellos und des Klaviers wieder.
Der Cellopart hat vor allem obertonreiche Klänge, erzeugt durch ausgeweitete Spieltechniken: Flageoletts, Spiel auf dem Steg und Spiel auf dem Griffbrett, mit dem Bogen so nah wie möglich an der Griffhand. Mikrotonal angereicherte Klänge durch kreisende Bewegungen des Bogens auf den Saiten sind zu hören und sachte geräuschhafte Klangtexturen, erzeugt mit dem Bogen, wenn dieser mit dem Übergang von Bogenhaar und Bogenholz auf die Saiten gedrückt wird. Das Klavier wird in diesem Stück zum Saiteninstrument, gespielt wird nicht auf den Tasten, sondern auf den Saiten im Korpus des Instruments. Zudem setzt die Pianistin gleich zwei E-Bows auf den Klaviersaiten ein, mit dem Ziel, dauerhafte klangliche Schwingungen durch Magneteinwirkung und damit verbundene Rückkoppelungen zu erzeugen. »Ich wollte einen Klang ohne Anschlagakzente erreichen, einen durchgehenden Klangfluss«, kommentiert dies die Komponistin. Das Ziel sei, dass sich der Klavierklang den Klängen des Cellos und der Klarinette annähere. Auf diese Weise verschmelzen die Einsätze der drei Instrumente praktisch zu einem einzigen Klang, sind Bestandteile eines Klanggewebes. Die drei Soloinstrumente des Trios wachsen somit klanglich zu einem Hyperinstrument zusammen.
Die auf diese Weise kreierten Klangflächen des ersten Teils von Flowers Endlessly Open erzeugen den Eindruck einer suspendierten Zeit. Im Mittelteil differenzieren sich die Klangflächen dann aus, die drei Instrumente Klarinette, Violoncello und Klavier werden nun stärker in ihren individuellen Klanglichkeiten wahrgenommen. Dies geht einher mit einer erhöhten Bewegungsintensität des Geschehens, das Tempo beschleunigt sich. Das Klavier, gezupft auf der höchsten Saite c5 gibt hier die regelmäßigen Impulse, begleitet von gezupften Akzenten der Saite e1, die mit Haftpads gedämpft ist und so im Klang einem Gong ähnelt.
Am Ende des Stücks, wenn die reichhaltigen Klanglandschaften verhallen, wird dem Erklungenen performativ nachgespürt: Die Cellistin führt ihr Instrument an ihrem Körper entlang, die bislang auf den Klaviersaiten im Instrumentenkorpus agierende Pianistin berührt schließlich doch noch die Tastatur, jedoch in Form stummer Glissandi der Handflächen über der Klaviatur, während die Klarinettistin dezent vibrierende Flageoletts in der Klarinette verklingen lässt. Flowers Enlessly Open wird am Schluss zu einer Erforschung der Grenze zwischen Klang, Nachhall und Stille. Auf die Frage, was der größte Fehler bei der Interpretation ihres Stücks sei, entgegnet Daniela Terranova im Interview für Ultraschall Berlin: »Das Falscheste wäre, körperlich zu bleiben, zur sehr auf dem Boden zu bleiben, ich möchte einen ätherischen Klang erzielen. Die Musikerinnen sollen in der Lage sein, den Himmel zu sehen.«
Eckhard Weber