Für Clara Iannotta ist Musik eine existenzielle, physische Erfahrung, die auch mit den Augen erfahrbar sein soll. Insofern sind die Grenzen zur Performance offen. Im Duo-Werk Limun braucht es zwei weitere Mitspielende, die die Partituren umblättern. Die Partien für Violine und Bratsche sind geprägt von unterschiedlichen Glissandi, stufenlosem Schleifen zwischen mehreren Tonhöhen, und Flageoletts, einer Technik, bei der während des Bogenstrichs mit der Griffhand an bestimmten Punkten des Griffbretts nur leicht auf die Saite gedrückt wird, wodurch bestimmte Obertöne besonders hervorgehoben werden können. Das klangliche Ergebnis sind gläserne, schwebende Klänge. Durchbrochen wird dies von schneidenden Akzenten.
Im zweiten Teil von Limun mischen sich die beiden umblätternden Mitwirkenden ins musikalische Geschehen ein: mit Mundharmonikas, präpariert mit Stoff, vorzugsweise Seide. Damit werden hohe, obertonreiche Cluster erzeugt. Zusammen mit den Obertonklängen der Streicher finden sich alle gewissermaßen zu einem Hyperinstrument zusammen, das flirrende, silbrig schimmernde Klänge hervorbringt. Limun wurde vom Freiburger ensemble recherche 2011 in der nördlich von Paris gelegenen gotischen Abtei Royaumont uraufgeführt, im Rahmen des dort veranstalteten Programms Voix nouvelles.
Eckhard Weber