Begriffe der Wahrnehmung optischer Eindrücke wie »Licht«, »Leuchten« oder »Glänzen« werden gerne zur Beschreibung der Musik von Christian Mason herangezogen. Dies hängt zweifellos mit einigen Titeln seiner Werke zusammen, die dafür Steilvorlagen bieten, etwa Years of Light (2013), Clear Night (2007/08) oder Noctilucence (2009). Doch es liegt auch daran, dass Christian Mason in seinem musikalischen Denken gerne das Spektrum der Teiltöne in den Fokus nimmt.
Für sein jüngstes Kammerwerk Zwischen den Sternen, das in intensivem Austausch mit dem ensemble recherche entstanden ist, hat Christian Mason für die Holzbläser die tiefen Instrumente ausgewählt. Im Klavier werden mehrere Töne umgestimmt und auch die Streicher spielen in Skordatur, also spezifischen eigenen Stimmungen der Saiten. Aufgrund der Änderung der gleichschwebenden Stimmung der gewöhnlich »wohltemperierten« Instrumente, ergeben sich neue Teiltonverhältnisse im Klang und wohlkalkulierte, feine harmonische Reibungen. Christian Mason möchte in seinem Stück »flirrende, ›schemenhafte‹ Harmonien« erzeugen, wie er im Interview für Ultraschall Berlin erklärt hat: »Für mich haben sie die Qualität einer Fata Morgana, etwas wie das klangliche Äquivalent zu Hitzeflimmern.«
Klangliches Zentrum ist das Klavier mit seinen durch die Umstimmungen überraschend veränderten Klangverhältnissen, auf die alle übrigen Instrumente des Ensembles reagieren.
Hinzukommt außerdem die bewusste Manipulierung des Raumklangs, denn in jedem der sechs Sätze von Zwischen den Sternen wechseln einige der Instrumentalisten ihren Spielort, was sich nicht bloß auf das Podium beschränkt. Diese extreme Verschiebung von Verhältnissen im Inneren der Klänge und im Äußeren des instrumentalen Zusammenspiels ist eine Einladung an das Publikum, die Interaktion des Ensembleklangs auf neuartige Weise zu entdecken.
Der Titel Zwischen den Sternen sei inspiriert vom überwältigenden, existenziellen Eindruck des Sternenhimmel, so Christian Mason, mit all den Implikationen, die damit verbunden sind: den immensen Entfernungen, Lichtpunkten von Sternen, die längst verloschen sind, dem Individuum in dieser Weite und den Beziehungen der Menschen zueinander angesichts dieser Unendlichkeit. Genau diesen letzten Aspekt hat der Komponist auch im gleichnamigen Gedicht von Rainer Maria Rilke aus Die Sonette an Orpheus entdeckt, wo es am Angang heißt: »Zwischen den Sternen, wie weit; und doch, um wievieles weiter, was man am Hiesigen lernt. / Einer zum Beispiel, ein Kind … und ein Nächster, ein Zweiter-, o wie unfasslich entfernt.«
Eckhard Weber