»Ein kleines Fenster, durch das man wie durch ein Mikroskop schaut, um zu sehen, was kleinste Dinge in Bewegung bringt, was Schichten von sich bewegendem Lärm oder Klängen zu einem Lied formt«, sei ihr Stück Ayre: Towed through plumes, thicket, asphalt, sawdust and hazardous air I shall not forget the sound of, hat die Komponistin Chaya Czernowin in einem Kommentar einmal erklärt. Atemberaubend ist an dem Werk zunächst der Titel: Der altenglischen Bezeichnung für »Lied«, Ayre, folgt ein geradezu barock wuchernder und dennoch fragmentarischer Vers, ins Deutsche übersetzt etwa »Geführt durch Rauchschwaden, Dickicht, Asphalt, Sägemehl und gefährliche Luftverschmutzung werde ich nicht den Klang von … vergessen.« Offen bleibt, um welchen Klang es sich handelt, doch diesen liefert die Musik von Chaya Czernowin in diesem Stück mit verstärkten Instrumenten. Da diese vorwiegend in leisen Dynamikbereichen und mitunter stimmlos oder geräuschhaft spielen, ergibt über die Verstärkung ein außergewöhnlicher Ensembleklang. Auffällig ist etwa die klangliche Annäherung zwischen dem Schlagzeug und den Melodieinstrumenten. Chaya Czernowin hat über ihre Vorgehensweise bemerkt: »Die Instrumente konzentrieren sich auf sehr begrenzte Bewegungsräume, in denen repetiertes eingeschränktes Material auf unterschiedliche Oberflächen gezogen zu werden scheint. Im zweiten Teil öffnen die winzigen Bewegungen den musikalischen Raum zu einem unerwarteten negativen Raum. ›Negativer Raum‹ kann hier als ein musikalisches Kontinuum gesehen werden, das eher die Vorstellung eines Raumes hervorruft als die eines Ereignisses oder eines Prozesses.«
Das Stück behandelt somit musikalisch den Umschlag von Bewegung zu Stillstand, von einzelnen Aktionen zur Fläche – oder zum Raum. Im ersten Teil wird durch verschiedene einzelne Impulse und Ereignisse die Bewegung angetrieben. Der Eindruck eines Aussetzens von Prozesshaftigkeit stellt sich ein, sobald Aufwärtsglissandi in den Melodieinstrumenten und Clusterglissandi im Klavier zu hören sind, verstärkt durch Orgelpunkte im Schlagzeug, die durch bestimmte Spieltechniken vorgetäuscht werden. Diese Fülle minimaler Bewegungen verbindet sich in der auditiven Wahrnehmung zu etwas Statischem, wie ein Raum, den die Komponistin erwähnt. Das Verblüffende daran: Die zunehmende Verdichtung der Strukturen führt zu einer Klangballung, die über den Eindruck eines Kammermusikstücks weit hinausweist. Würde man es nicht mit eigenen Augen sehen, man würde ein Orchester vermuten.