Mit den Möglichkeiten, die das Konzept der elektronischen Verstärkung bietet, arbeitet auch die belgische Komponistin Cathy Van Eck. In ihrem Stück Wings sind drei Mikrofone unmittelbar gegenüber von Lautsprechern positioniert, so dass bei aufgedrehter Lautstärke automatisch Rückkopplungen entstehen. Diese Rückkopplungen werden zu endlosen Feedbackschleifen, die als klangliches Ausgangsmaterial der Komposition dienen. Im Laufe des Stückes bewegen sich drei Performer mit großen, rechteckigen Styroporplatten langsam über die Bühne. Auf diese Weise verschieben, vergrößern und verkleinern sie den Resonanzraum und damit den Klang des Feedbacks. Das akustische Resultat wird zusätzlich über einen Computer in Echtzeit bearbeitet, so dass jede musikalische Situation einer ständigen Metamorphose unterliegt. In van Ecks Stück sind die Ensemblemusiker weniger Instrumentalisten als Performer, die eine Choreografie ausführen. Ihr Bewegungsvokabular ist also kein bloßer Nebeneffekt der Klangproduktion, wie es normalerweise beim Musizieren üblich ist. Sondern die Kausalitäten sind gewissermaßen invertiert: Die Klangmanipulation ist ein Nebeneffekt eingeübter und bewusst ausgeführter Bewegungsabläufe. Künstlerische Ansätze dieser Art standen seit der Gründung des Ensembles hand werk im Mittelpunkt. »Wir möchten«, so der Cellist Niklas Seidl, »Stücken einen Raum geben, die grundsätzlich experimentierfreudiger mit dem Musikgedanken umgehen. Insofern reizt uns auch die Idee, dass wir auf der Bühne als ›Performer‹ agieren, denen es vor allem auf Musikalität ankommt, anstatt auf eine einzige, ganz bestimmte spieltechnische Fertigkeit.«
Leonie Reineke