Carola Bauckholt: Stroh

für Sopran, Mezzosopran, Bariton und Bass

Dieser Gedanke bewegte die Komponistin Carola Bauckholt 2012 zu ihrem Stück Stroh, in dem sie die gesungenen Worte aus Artikulationen ableitet anstatt einen Text zu vertonen. Nicht der makellose Schönklang einer Singstimme, sondern all jene Elemente, die ihr ihren einzigartigen Charakter verleihen, faszinierten die Komponistin: »Mich zieht die individuelle Stimmfarbe an«, so Bauckholt, »deshalb reduzierte ich die Besetzung in meiner Komposition auf vier Stimmen – ein transparentes Quartett. Mich interessiert die Unterseite des Gesangs; das vocal fry, der Strohbass, Multiphonics, resonierende Taschenfalten, Luftklänge, gehauchte Akkorde, Klänge mit starker Textur. Stimmen sind archaisch und haben einen unmittelbaren Kontakt zum Unterbewusstsein. Das möchte ich jenseits von Klischees berühren.« Die gesungenen Vokale und Konsonanten in ihrer A-cappella-Komposition generierte Bauckholt also nicht aus einer abstrakten wort- oder inhaltsbezogenen Materie, sondern aus einer direkten Klangvorstellung.

Leonie Reineke