»Natürlich arbeiten wir viel mit jungen Komponisten zusammen. Wir mögen es, Stücke zu spielen, die im Hier und Jetzt entstehen. Denn es ist spannend, zu beobachten, wie unsere eigene Generation über Musik denkt. Allerdings beschäftigen wir uns ebenso viel mit Repertoire aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Erstaunliche ist, dass viele dieser Stücke nicht nur in den 1960er, 70er und 80er Jahren neu klangen, sondern auch heute noch. Manches wirkt sogar deutlich radikaler und zeitgenössischer als die Musik, die aktuell entsteht.«
Was die Flötistin Kristjana Helgadóttir konstatiert, findet in den Konzertprogrammen des Berliner Ensembles Adapter seine klangliche Entsprechung. Indem die vierköpfige Gruppe regelmäßig ›alte‹ neue Musik auf die Bühne bringt, möchte sie den Blick für Traditionslinien, musikhistorische Entwicklungen und gedankliche Vorläufer heutiger Strömungen schärfen.
Eines der Stücke, das die Ensemblemitglieder in dieser Hinsicht besonders fasziniert, ist das 1983 entstandene Quintett Music for Japan von Bunita Marcus. »Mit dieser Komposition«, so äußerte sich die US-Amerikanerin selbst, »habe ich versucht, ein ›hässliches‹ Stück zu schreiben. Manche meinen, es sei mir nicht gelungen.« Wenn auch der Begriff ›hässlich‹ nicht zutreffen mag, so wirkt das Werk doch ausgesprochen spröde. Obwohl es über zwanzig Minuten dauert, lebt es weder von langen Entwicklungsbögen, noch von großen, expressiven Gesten oder dramatischen Effekten. Im Gegenteil: Das Material mutet simpel und reduziert an, das musikalische Gefüge ist zerklüftet und von Momenten der Stille durchwirkt. Und gerade diese kontemplative Nüchternheit fasziniert das Ensemble Adapter: »Wir mögen alle Musik«, so der Schlagzeuger Matthias Engler, »die direkt und kompromisslos funktioniert. Sei es das Klangmaterial, die formale Gestaltung oder auch das Setting auf der Bühne: Uns gefallen Stücke, die von Reduktion leben und die in irgendeiner Weise direkt zum Punkt kommen.«
Music for Japan ist allerdings weitaus mehr als eine Komposition, die ganz zufällig den Vorlieben der Musiker entspricht; sie hat wesentlich zur Gründung des Ensemble Adapter im Jahr 2004 beigetragen. Die vier Instrumentalisten entdeckten das Stück während ihres Studiums in Amsterdam und machten es zu einem ihrer ersten großen Projekte. Ursprünglich hatte Marcus es für das Ensemble Sound Space Ark geschrieben – eine in Japan gegründete Formation, die in den 1970er und 80er Jahren aktiv an der Etablierung neuen Kammermusik-Repertoires beteiligt war und deren ungewöhnliche Quintettbesetzung fast mit der des Ensemble Adapter (Flöte, Klarinette, Harfe, Schlagzeug) identisch ist. Seit der Gründung ihrer Gruppe griffen die Adapter-Musiker viele Arbeiten von Sound Space Ark auf und kooperierten dafür immer wieder mit Pianisten. Es ist ihnen ein Anliegen, die kaum dokumentierte Arbeit des japanischen Ensembles in Erinnerung zu rufen.
Leonie Reineke