Der Komponist Brian Ferneyhough wird als Gallionsfigur der ›New Complexity‹ gesehen, auch wenn er diesen Begriff selbst nicht schätzt. 1943 im englischen Coventry geboren, studierte er Trompete, als Komponist ist er jedoch Autodidakt. Als er 17 Jahre alt war, so berichtet er, hörte er Musik von Karlheinz Stockhausen und bemühte sich sofort, Ähnliches zu schreiben. Seine Kompositionen sind geprägt von mikrotonalen Skalen und komplizierten, ineinander geschachtelten Zeitverhältnissen, oftmals verbunden mit höchstem, geradezu Grenzen sprengendem spieltechnischem Anspruch. Am liebsten schreibe er »komplexe, in hochgradiger Verfeinerung« durchkonstruierte Strukturen und dazu Momente roher, ungebändigter Kraft«, so der Komponist. Diese benötigt der Solist auch in trittico per g.s., das als eines der schwierigsten Werke für Kontrabass gilt. g.s. sind die Initialen der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein, die offen mit einer Frau zusammenlebte und ab den 1920er-Jahren in Paris einen bedeutenden Salon führte, der von Epoche prägenden Malern und Literaten frequentiert wurde. Sie entwarf die Idee der ›Kontinuierlichen Gegenwart‹, indem sie z.B. Wörter und Satzbestandteile in die Wiederholung trieb und so die Gegenwart permanent neu beginnen ließ. Diese Praxis erläuterte Stein in einer ihrer Vorlesungen »Literatur als Komposition«, aus der Ferneyhough einen kurzen Ausschnitt als Vorlage für seine Komposition auswählte. Stein geht von invarianten (zyklischen) Transformationsmodi aus, die Ferneyhough auf drei verschiedene Arten von Musikmaterial projiziert. Er schreibt in einem Kommentar: »Trotz des Titels besteht das Stück nicht aus drei verschiedenen Bewegungen, sondern aus der Abfolge und dem Schnittpunkt von Abläufen, deren Dichte und Variabilitätsgrad ständig zunimmt. (…) Ich habe versucht, auf kombinatorische und formale Entwicklungen Bezug zu nehmen, die zumindest teilweise parallel zu denen sind, die die Dichterin selbst benutzt hat.«
Cornelia de Reese