Bethany Younge: Undergrowth / Polka

(2023) 11‘ – für Ensemble

Polka als Störung des Bestehenden; Polka als Widerstand; Polka als Gegenwelt. Die Elektronik (Samples von einem Memorymoog-Synthesizer) gestalten rohe Instrumentalklänge. Sie führt sie aus einem chthonischen Unterholz hin zu einer lebhaften, sich entwickelnden Materie. Wenn die Musik sich weiter materialisiert, verändert sich ihr Charakter mehrmals, bevor sie mehr Wucht erhält und mutwillig zu einem Zusammenbruch geführt wird. In diesen Trümmern liegt Unterholz für ein anderes, vielleicht verbessertes, ebenfalls pulsierendes Gebilde.

Bethany Younge
(Übersetzung: Ecki Ramón Weber)

Ende der Welt, vibrierende Materie, Animismus
Ein Interview mit Bethany Younge über ihr Stück Undergroth / Polka

Bethany Younge, was steht für Undergroth („Unterholz“) und was für Polka in Ihrem Stück Undergroth / Polka

Ich betrachte Aspekte von „undergrowth“ und „polka“ nicht zwangsläufig in ihrer wörtlichen Bedeutung, allerdings würde ich sagen, dass sich ein deutlich wahrnehmbares polkaeskes Thema durch das Stück zieht. Wiederholt schleicht es sich für die Zuhörenden in den Vordergrund. Es wird im Verlauf des Stücks allmählich vorherrschend.

Wie werden die Instrumente im Stück eingesetzt?

Sie sind ein und dasselbe, wie in der Natur – unnachgiebig und beharrlich. Sie versuchen sich durchzusetzen, selbst angesichts von Widerstand.

Was hat Sie zu diesem Werk inspiriert?

Ich wurde sehr stark durch einige rohe, ungefilterte polnische Polkas, auf die ich durch Zufall gestoßen bin, angeregt. Ich habe auch einige Zeit damit verbracht, mich mit Themen wie Weltuntergang, lebhafte Materie und Animismus zu beschäftigen – alles Themenfelder, deren Aspekte zu Leitlinien meines Werks wurden.

Was meinen Sie mit „lebhafter Materie“?

Auf gewisse Weise spiele ich mit einigen der Gedanken aus einem Buch der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin Jane Bennet: Lebhafte Materie. Eine politische Ökologie der Dinge. Es behandelt die Idee, das jegliche Materie eine Lebendigkeit hat, lebhaft ist, Menschen, Tiere oder andere Seinsformen. Für mein Stück habe ich mir die Musik als lebendiges Wesen mit einem eigenen Willen vorgestellt. Sie vibriert, eine lebhafte Materie.

Wie schlägt sich dieser Ansatz in ihrem Stück nieder?

Der grundlegende Gedanke meines Werks ist ein Fluss angefachter Geräusche, die allmählich zu einer im Innern treibenden, pulsierenden Einheit zusammenwachsen.

Wie interagieren die Instrumente in diesem Prozess des Zusammenwachsens?

Zu Beginn des Stücks sind die Instrumente vereinzelte, noch nicht ausgeformte Einheiten. Im weiteren Verlauf, wenn sich ein Pulsieren allmählich deutlicher abzeichnet, verbinden sie sich zu wechselnden Gruppen. Auf halber Strecke tritt eine merkwürdige, wie nicht von dieser Welt kommende Klage auf. Sie wird bestimmt von einem verlängerten Wechselspiel der Instrumente, was einem Hoquetus ähnelt.

Es gibt also, wie bei der Hoquetus-Technik in einem mehrstimmigen Satz, eine komplementäre Verschränkung der Stimmen, bei der jeweils eine erklingt, während die andere pausiert. Wie wird in ihrem Stück aber das Schlagzeug eingesetzt? 

Das Schlagzeug hat sich bei der Komposition als besonders wirksam erwiesen, um besonders betonte und akzentuierte Impulse zu geben. Es hat mir erlaubt, dem Polka-Material eine Tiefe und etwas Unerbittliches zu verleihen.

Was gefällt Ihnen besonders am Ensemble LUX:NM?

LUX:NM hat bei der Umsetzung des Stücks eine unglaubliche Leichtigkeit und Feinsinnigkeit eingebracht. Das Ganze wirkte nahezu unangestrengt. Abgesehen von ihrem großen Können schätze ich bei allen Mitgliedern von LUX:NM, wie offen sie für Experimente sind und ihre große Bereitschaft, Dinge nach Bedarf anzupassen und zu verfeinern. Ihr gemeinsamer Ensemblegeist und ihre Flexibilität haben das Stück erst aufblühen lassen.

(Interview: Ecki Ramón Weber)

Polka as disruption; polka as resistance; polka as unworlding. The electronics (samples taken from the Memorymoog synthesizer) shape the raw instrumental sounds, guiding them from the chthonic undergrowth to a vibrant and evolving matter. As the music further materializes, it mutates its character several times before gaining momentum and driving towards willful collapse. In the rubble lies the undergrowth for another, perhaps improved, potential pulsating entity.

Bethany Younge

End of the world, vibrating matter, animism
An interview with Bethany Younge on her work Undergroth / Polka

Bethany Younge, what is the undergrowth-aspect and what is the polka-aspect in your work?

I’m not necessarily considering the “undergrowth” and “polka” aspects as literal representations, but I would say there is a clear polka-esque theme throughout the work that repeatedly creeps back into the foreground of the listener. It becomes increasingly pervasive.  

How do the instruments of the ensemble correspond with each other – or not?

They are one and the same, like the natural world—unyielding and persistent—asserting its will, even in the face of resistance.

What was the inspiration for your work?

I was deeply inspired by some raw, unfiltered Polish polka that I stumbled upon by chance. I also spend a great deal of time reflecting on themes like the end of the world, vibrating matter, and animism – ideas that became guiding principles for this work.

What do you mean by „vibrating matter“?

I’m sort of playing on some of the ideas from Jane Bennet’s book Vibrant Matter: A Political Ecology of Things. This sort of deals with the aliveness (vibrancy) in all matter, whether human or otherwise. In my piece, I was imagining the music as being alive and with a will of its own. It is a vibrating, vibrant matter. 

What is the main idea of your work?

The main idea of my work is fluid, fomenting noise that gradually coalesces into a visceral, driving, and pulsating entity.

How do the instruments interact in your piece?

At the start, the instruments behave as individualistic, unformed musical entities. As the piece unfolds and the pulsations grow more pronounced, they coalesce into shifting groups. Midway, a strange, otherworldly lament emerges, characterized by an elongated hocket-like exchange between the instruments. This eventually gives way to an unrelenting, driving force, where two groups pulse in opposition to one another.

In which way do you use the percussion in your piece?

The percussion proved particularly effective in punctuating and accentuating attacks. It allowed me to make the polka material feel more visceral and relentless.

What do you like most in collaborating with ensemble LUX:NM?

LUX:NM brought an incredible ease and finesse to assembling the piece, making the process seem almost effortless. Aside from their mastery, I deeply appreciated their openness to experimentation and their readiness to adapt and refine elements as needed. Their collaborative spirit and flexibility truly elevated the work.

(Interview: Ecki Ramón Weber)