Der Komponist Bernhard Gander ist als Komponist akademisch ausgebildet – und ein Fan von Heavy-Metal-Rockmusik. In seinem Werkkatalog gibt es Kompositionen für Kammerbesetzung und Orchesterstücke, die sich auf Heavy-Metal-Bands wie Motörhead, Iron Maiden und AC/DC beziehen. »Wenn ich eine gute Nummer höre, dann denke ich mir, ah, da ist ein guter Rhythmus, Riff, Drum, Gitarrensolo. Das bleibt irgendwie im Kopf, und ich überlege mir, warum das so ist. Und das probiere ich dann, in die Arbeit einfließen zu lassen«, hat dies Bernhard Gander einmal erläutert.
Auf die Attitüde des Heavy Metal mit Totenkopfsymbolen und düsteren Endzeitszenarien verweist bereits der Titel seines Solostücks für Kontrabassklarinette: Morbidable, ein Neologismus aus den französischen Adjektiven morbide (»krankhaft, zerbrechlich«) und formidable (»fürchterlich«, »ungeheuer«, »gewaltig«, »großartig«). Formal ist diese Komposition tatsächlich im Aufbau an das Vorbild eines Rocksongs angelehnt. Mit verse, also Strophe, mit bridge, Überleitungspassage, chorus, Refrain, und solo, in der Rockmusik die Passage, wo zumeist eine E-Gitarre solistisch herausgestellt wird. Diese Formteile sind in vielfach varierten Ausprägungen in Morbidable aneinandergereiht: verse 1 – bridge – verse 2 – bridge – solo 1 – chorus – verse 3 – solo 2 – bridge – chorus – solo 3 – bridge + chorus – verse 4 – bridge + chorus.
Zu Beginn erscheint mit verse 1 eine energiegeladene, in Achteln durchlaufende Basslinie als Ostinato-Bass in verschiedenen Ausprägungen, allerdings mit Sand im Getriebe: Zwischendurch gibt es Punktierungen, die den durchgehenden Rhythmus durchkreuzen. Die bridge-Passage ist relativ kurz, besteht aus lang ausgehaltenen Viertel, vorwiegend auf einer Tonhöhe, später auch mit Oktavierungen, und dient – wie dies auch im Techno eingesetzt wird – als Moment der Entspannung und als Element des Spannungsaufbaus, um die Erwartung auf die Fortführung des treibenden Rhythmus zu schüren. Im weiteren Verlauf wird das Material der solo-Passagen transformiert, mit Sechzehntel- und Zweiundreißigstel-Umspielungen und zusätzlichen scharf akzentuieren Tonrepetitionen. Der chorus besteht aus absteigenden Achtelskalen, wird zunächst wörtlich wiederholt, ehe er schließlich mit den Bridge-Passagen verbunden wird. Der letzte Formteil, bridge + chorus, wartet mit dem für die Rockmusik typischen Abblendeffekt auf: Die letzte Figur geht vom Piano zum Pianopianissimo. Bernhard Gander bereitet das Material sehr verdichtet auf, das Stück ist vorwiegend hochenergetisch und hochvirtuos.
Eckhard Weber