»Roh und elementar« sei ihre Musik, rühmte die New York Times einmal die amerikanische Komponistin Ashely Fure – Formulierungen, die die Komponistin in ihre offizielle Biografie übernommen hat. Von der »unvermittelten Kraft« und der »Plastizität« spricht auch Fabian Czolbe in seinem Porträt für das Berliner Künstlerprogramm des DAAD, deren Gast die Komponistin 2018 war.
»Ashley Fure«, so Fabian Czolbe, »begibt sich immer wieder auf die Suche nach der Kraft und Unmittelbarkeit des Klangmaterials. Aus dem Zusammenspiel von zarten, fragilen Klängen und kraftvollen Geräuschmassen einerseits sowie differenziert ausgeprägten Schichtungen oder Verschränkungen von Klangspektren auf der anderen Seite gestaltet die Komponistin gleichermaßen akustische als auch plastische Gesten, die es zu erkunden und gegebenenfalls mitzuformen gilt.«
Auch Wire & Wool für Violoncello solo arbeitet mit solchen Gesten, auch hier ist eine ›elementare‹ Klangbehandlung zu hören. Das ist in diesem Fall unmittelbar mit der zu Grunde liegenden Idee verknüpft. Ashley Fure bezieht sich in Wire and Wool auf Georges Batailles Essay Die Sprache der Blumen, in dem der französische Philosoph den doppelten Charakter der Dinge diskutiert, am deutlichsten zu sehen an den Blumen, deren verführerisch schöne oberirdische Erscheinung das Wurzelwerk überstrahle, das sich unter der Erde weit weniger berückend ausbreite und wie Ungeziefer verhalte. »In Wire & Wool«, so Ashley Fure, »erforsche ich den doppelten Charakter des Violoncellos. (…) Ich behandle das Violoncello sowohl als emporgehobenes, ästhetisiertes Objekt als auch als das, was es letztlich ist: eine Mixtur aus Holz, Haar und Klebstoff. Mit elektronischen und akustischen Mitteln verstärke ich die Schleifgeräusche, die entstehen, wenn Haare über Draht streichen, wenn Stimmwirbel festgezogen werden und gegen das Holz stoßen. Diese Maßnahmen, normalerweise zur Verschönerung des Instrumentaltons angewendet, ermüden den Steg, lassen das Bogenhaar ausfransen und beschleunigen den natürlichen Zerfall des Instruments. Das ganze Stück hindurch stelle ich die Narben in den Vordergrund, die der kreative Akt auf dem manipulierten Instrument hinterlässt.«
Rainer Pöllmann