Nach Anfängen an der Dresdner Semperoper und als Generalmusikdirektor in Münster ging Antal Doráti nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ins amerikanische Exil. In den USA hatte er dann 1937 sein Debüt am Orchesterpult beim National Symphony Orchestra Washington, wurde 1941 Musikdirektor sowohl des American Ballet Theater als auch an der New York City Opera und leitete ab 1945 das Dallas Symphony Orchestra sowie ab 1949 das Minneapolis Orchestra. Das BBC Symphony Orchestra, die Stockholmer Philharmoniker, erneut das National Symphony Orchestra Washington, Royal Philharmonic Orchestra London sowie das Detroit Symphony Orchestra waren weitere Stationen in seiner Karriere. Zudem engagierte er sich als Mitbegründer für die Philharmonia Hungarica, die sich 1957 im Westen aus ungarischen Flüchtlingen gebildet hat.
Antal Doráti ist als Dirigent weltberühmt geworden, offen für Neues und war nicht zuletzt bekannt als profilierter Sachverwalter der Werke von Béla Bartók. Weniger präsent dürfte er dem Publikum als Komponist sein. Seine eigene Musiksprache bezeichnete Antal Doráti als »erkennbar zeitgenössisch«, jedoch »ohne Angst vor der Melodie zu haben«, wie er ein wenig trotzig hinzufügte. Mehrfach hat er in seinem Schaffen auch die Oboe in den Fokus genommen, so während seiner letzten Jahre in den Werken Trittico und Duo concertante. Dieses Duo concertante entstand 1983 für den Oboisten Heinz Holliger, der es im Jahr darauf in Washington mit John Steele Ritter am Klavier uraufführte.
Antal Dorátis Duo concertante hält eine Abfolge unterschiedlicher stilistischer Referenzen und musikalischer Idiome bereit. Dass dies im Ganzen allerdings nicht zerfasert oder bloß rhapsodisch wirkt, liegt an einem gemeinsamen Zug der beiden Duopartner Oboe und Klavier und daran, dass beide ihren Dialog ohne Unterlass bis zum Ende fortführen – in einem Gefüge, dass stets transparent bleibt und die klangliche Ausgewogenheit zwischen den Duopartnern betont. Beide kommen zu ihrem Recht und führen abwechselnd das Geschehen mit eigenen Einwürfen weiter, woran sich wiederum der jeweils andere Partner dann in der Folge orientiert. Ein klingendes Geben und Nehmen ist hier einkomponiert, dieser Eindruck stellt sich sinnfällig ein.
In der langsamen Einleitung des Duo concertante intoniert die Oboe eine sich ruhig entfaltende, mal kontemplative, mal sinnliche Melodielinie, die oktatonisches Skalenmaterial benutzt, wie man es aus den europäischen Folkloretraditionen und aus der orientalischen Musik kennt. Auch die melismatischen Wendungen der Oboe erinnern an folkloristische Gesangstraditionen. Das Klavier füllt dies mit Septimen- und Nonenakkorden, später mit filigran gedrechselten Figuren oder zwischendurch auch mit wirkungsvollen Arpeggien. In der Folge wird der Dialog intensiviert, die Charaktere werden lebhaft, konzentriert, kapriziös, geheimnisvoll zurückgenommen, verspielt, schwelgerisch tanzend, vorsichtig reflektierend und ausgelassen. Doráti bietet in seinem Werk der Oboe durch die schnelle Abfolge vielfältiger Idiome in seinem Duo concertante eine Fülle von Ausdrucksmöglichkeiten an, doch das Klavier spielt dabei eine entscheidende Rolle: Erst durch die suggestiven harmonischen Farbbäder, rhythmischen Charaktere und die markanten Artikulationen des Klaviers, die den Dialog antreiben, entsteht der atmosphärische Resonanzraum, in dem die Oboe auf diese Weise aufblühen kann.
Eckhard Weber