In Agata Zubels 2012 durch das Klangforum Wien uraufgeführtem Stück Not I für Stimme und Ensemble ist die Komponistin auch die Vokalistin: Basierend auf Samuel Becketts gleichnamigem Monolog von 1972, bei dem laut Anweisung auf einer pechschwarzen Leinwand lediglich der Mund einer Schauspielerin zu sehen ist, möchte die Komposition weniger eine bestimmte Semantik (des ohnehin sehr reduzierten Textes) tonmalerisch ausdeuten, sondern mehr die Lautlichkeit der Stimme in den Mittelpunkt rücken. In Becketts Stück beginnt eine ältere, traumatisierte Frau erstmalig seit Jahrzehnten wieder zu sprechen und schildert Fragmente ihrer Vergangenheit. Zubel verarbeitete in der Komposition ihre Vorstellungen davon, wie das Reaktivieren eines jahrzehntelang still gebliebenen Sprechapparats klingen könnte. Verschiedenste Formen der Stimmkunst, von Sprechgesang, vokaler Geräusch-Performance bis hin zu virtuos-emphatischem Gesang, lassen sich als in Musik gesetzte Interpretation dieser Idee verstehen. Das für das Stück geforderte, ausgesprochen differenzierte stimmliche Vokabular legt den Gedanken nah, die Komponistin habe sich die Komposition auf den Leib geschrieben: »Es ist toll«, so Agata Zubel, »dass ich hier Komponistin und Performerin gleichzeitig sein kann. Denn ich verstehe die Musik viel besser, wenn ich ›auf beiden Seiten‹ bin. (…) Natürlich ist es auch einfacher für mich, wenn ich eine meiner eigenen Kompositionen als Interpretin vorbereite. Denn da kenne ich die Idee des Stückes schon vorher. Ich weiß, wie es klingen soll.«
Not I gehört zu Zubels bekanntesten Kompositionen, was sicherlich auch darin begründet ist, dass sie wesentliche Charakterzüge ihrer musikalischer Sprache offenlegt; einer Sprache, die sich deutlich zur Körperlichkeit, zu einem körperlichen Ausdruck hin orientiert. »Der Text von Beckett«, so Thomas Bruns, »bekommt in diesem musikalischen Zusammenhang eine sehr starke physische Kraft.
Überhaupt beobachte ich bei der jüngeren polnischen Komponistenszene einen Hang zur Expressivität. Sowohl Agata Zubel als auch Cezary Duchnowski schreiben Musik, in der viel passiert, die eine gewisse Eloquenz hat, und die keineswegs zurückgenommen ist.«
Leonie Reineke