Die Bühne im Radialsystem in Friedrichshain, auf der im letzten Konzert nur zart ein paar Streicher und ein Flügel standen, ist nun bis in die Ecken vollgestellt mit Instrumenten. Von den ersten Reihen aus kann man sie gar nicht alle überblicken; die Bordeaux-farbenden Trommeln, das Marimba, zahlreiche Notenständer, der Flügel, und der Gong, der auf einem Podest über allem thront. Hier wird gleich das achtköpfige ensemble recherche spielen.
Das Freiburger Ensemble war bereits oft Gast beim Ultraschall Festival, seit ihrer Gründung 1985 führten die Musiker schon rund 600 Stücke zum allerersten Mal auf. Dass ihr Repertoire umfassend ist bemerkt man auch an dem Programm für den heutigen Abend – fünf verschiedene Stücke fächern den Raum auf vom mikroskopisch Kleinen bis zu der Entfernung zwischen Sternen.
Der erste Ton des Konzerts durchdringt markerschütternd den Saal, Cello und Klarinette dröhnen tief einen Ton, der aus einem Spalt herauszukriechen scheint, lauter werdend, beunruhigend. Auch der Titel dieses Stückes von Chaya Czernowin lässt offen, was für ein Ton genau es ist: Ayre: Towed through plumes, thicket, asphalt, sawdust and hazardous air I shall not forget the sound of – an welchen Klang sich dieses „Ich“ immer erinnern wird, schwebt im Leeren. Trotzdem umreißt der Titel das Gefühl, dass man beim Hören des Stückes bekommt: auch wir werden geführt durch „Rauchschwaden, Dickicht und Asphalt“, wenn der Schlagzeuger Christian Dierstein leise auf den Gong trommelt, wenn die Flötisten in ihre Instrumente pusten, wenn das Ensemble klingt wie ein gewaltiges Türknarren.
Dieses Gefühl des Rätselhaften, schwer greifbarem spinnt sich auch in Johannes Maria Stauds Wheats, not oats, dear. I’m afraid weiter. Der Titel ist aus einem Gedicht der amerikanischen Dichterin Elizabeth Bishop gegriffen, deren Lyrik genauso verwoben und geheimnisvoll ist wie diese Komposition. Gedämpfte Klänge, die Töne schleichen umher, fließen und glucksen wie ein Fluss – und zwischendurch atmen die Musiker laut ein und aus, sodass sich ihre Stimmen sich mit den Instrumenten vermischen.
Nach einem beeindruckenden Soloauftritt des Bratschisten Paul Beckett muss für das letzte Stück des Konzerts erst einmal das Klavier umgestimmt werden. Denn Christian Masons Zwischen den Sternen, das an diesem Abend uraufgeführt wird, funktioniert nur mit umgestimmten Klavier und Streichern. Mason hat sich für seine Komposition vom Sternenhimmel inspirieren lassen, den Raumbeziehungen und Entfernungen – und so nutzt auch das Ensemble den Raum des Konzertsaals aus; die Musiker verteilen sich an der Tribüne, am Bühnenrand, laufen andächtig auf Socken durch die Gänge. Die Töne bewegen sich, die Ohren können durch die verschiedenen Positionen die Instrumente voneinander differenzieren, und das Stück wird wahrscheinlich von jedem Sitzplatz aus ein bisschen anders klingen. Der vielleicht spannendste Augenblick des Stückes ist, als der Schlagzeuger Christian Dierstein eine riesige Klangschale entlangfährt, sodass sich ein schwingender Ton entfaltet, der – wie die Erinnerung an dieses Konzert – noch lange, lange anhält.
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