Wenn ein großes Konzert ansteht und die besten Pianisten des Landes unter lautem Beifall die großen Werke der alten und neuen Meister spielen, hält sich der bescheidene Mann, der unmerklich all das ermöglicht hat, eher im Hintergrund und betrachtet das Treiben mit steigendem Wohlgenuss. Denn was ist ein Klavier wenn es nicht stimmt? Was ein Flügel, wenn er schreit statt klingt? Was ein Klavierkonzert, ohne Ton, weil das Klavier versagt? Nichts ohne den, der es stimmt, nichts ohne den, der den Klang bringt, nichts ohne den, der das Versagen verhindert. Doch Menschen wie Ludwig Meckel, die im Hintergrund für all das sorgen bleiben oft verborgen und sind nur schwer zu finden. Denn der Klavierstimmer ist ein Künstler, den man suchen muss. Wenn man sich aber bemüht und nicht nur ins Konzert sondern auch in die Probe einer Aufführung geht, kann es sein, dass man schließlich doch auf einen der raren Klavierstimmer trifft. Ludwig Meckel zumindest, der momentan für Ultraschall die Klaviere im Heimathafen stimmt, traf ich in der Probe des Trio Catch. Das Ohr dicht an den Flügel geneigt, und mit der Hand Tief im Innern des Großen Instruments wirkte er fast, als würde er dem schwarzen Instrument behutsam etwas zuflüstern wollen. Eine halbe Stunde (So lange dauert eine Klavierstimmung nämlich durchschnittlich) beobachte ich den Klavierstimmer bei seiner konzentrierten Arbeit. Tasten werden angeschlagen, Saiten mit einem seltsamen Schraubenzieher nachgezogen oder gelockert, und zwischenzeitlich nimmt Ludwig Meckel sogar die Tastatur aus dem Instrument heraus. Zum Schluss prüft er noch einmal jeden Ton gewissenhaft, bevor er sich daran macht seine Werkzeuge wieder einzupacken.
Herr Meckel. Der Beruf des Klavierstimmers ist kein besonders typischer Beruf. Wie kamen sie dazu und haben Sie selber Klavier gespielt?
Ja ich habe schon als Jugendlicher Klavier gespielt, kannte das Klavier also immer schon sehr gut. Nach der Schule habe ich dann Restauration studiert, wobei ich mich im Master schließlich gänzlich auf Instrumente spezialisiert habe. Erst danach ließ ich mich bei Steinway&Sons zum Klavierstimmer ausbilden.
Vor dem Stimmen haben sie sich noch intensiv mit der Pianistin des Catch Trios gesprochen. Worum ging es in dem Gespräch?
Bevor ich ein Konzertklavier Stimme, ist es immer gut sich kurz mit der Pianistin abzustimmen. Denn manchmal haben Musiker bestimmte Klangvorstellungen und Wünsche. Die versuche ich dann umzusetzen und zu erfüllen. Das wichtigste ist dabei genau auf das Wechselspiel zwischen Instrument und Musiker einzugehen. Diesmal waren die Anforderung der Musikerin sehr speziell. Denn in dem Stück, dass Sie spielt, werden erweiterte Spieltechniken verwendet, die beim Stimmen beachtet werden müssen. So zupft Sie beispielsweise die Seiten im Flügel oder schlägt sie mit einem Glas an. Das hat Auswirkungen auf den Klang und muss anders betrachtet werden als das bloße Hammerspiel.
Ich habe vorhin beobachtet, wie sie zum Stimmen verschiedene Töne angeschlagen, beziehungsweise gemeinsam angeschlagen haben. Liegt dahinter ein bestimmtes System.
Natürlich! Der Klavierstimmer muss das Klavier temperieren. Ihm also einen spezifischen Klang verleihen. Dazu arbeite ich an der Dämpfung der Seiten, an den Hämmern und den Seiten selbst. Die Tasten schlage ich jeweils in bestimmten Intervallverhältnissen an um die Harmonien zu hören und die Töne aufeinander abzustimmen. Denn ähnlich wie bei der Geige gilt es immer zwei Seiten gleichzeitig zu spielen und zu stimmen bis sie harmonieren. Die Intervalle der Prüfung sind Oktaven, Quinten und Quarten. An ihnen hört man am besten ob eine Seite stimmt oder nicht.
Auf den meisten Konzerten werden Steinway&Sons Klaviere verwendet. Sie haben bei dieser Firma gelernt. Was macht die Steinway Pianos so besonders?
Sie haben einen äußerst zuverlässigen Charakter und schwanken nur wenig in ihrer Temperatur. Trotzdem haben sie Breite Klangfarben und sind auch sonst sehr farbenreich in höhen und tiefen. Damit eignen sie sich gut für Konzerte. Man kann sich einfach auf sie verlassen.
Sie haben zwischenzeitlich die Tastatur aus dem Klavier ausgebaut. Welchen Zweck hatte dieser Arbeitsschritt und aus wieviel Teilen besteht ein solcher Flügel überhaupt?
Insgesamt aus ca. 12.000 Teilen. Aber da ist nun auch die allerkleinste Schraube mit eingerechnet. Die Mechanik habe ich herausgenommen um ein Klangliches Problem zu lösen, dass die Künstlerin an mich herangetragen hat. Es war die einzige Möglichkeit an die Dämpfung heranzukommen, die ich verstärken sollte, weil Sun-Young Nam sich einen weniger Starken Nachhall, der angeschlagenen Töne gewünscht hat.
Wo liegen beim Klavierstimmen die größten Schwierigkeiten?
Nun, das größte Problem liegt wohl in den Umgebungsgeräuschen, die ich immer wieder ausblenden muss. Denn wenn ich in großen Konzertsälen Klaviere stimme, herrscht oft reger Betrieb um mich herum, weil vor dem Konzert vieles gleichzeitig passiert. Einmal habe ich sogar ein Klavier stimmen müssen, während im Hintergrund “Eye of The Tiger” lief.
Und was ist das Schönste und Beeindruckendste an ihrem Beruf?
Der Kontakt mit den Künstlern. Es ist immer wieder spannend, über Möglichkeiten und Probleme zu diskutieren. Die Musikalische Zuarbeit ist für mich inzwischen wirklich Sinn stiftend.
Können sie denn alle Musikerwünsche erfüllen?
Ich gebee zumindest mein Bestes. Aber manchmal gehen die Vorstellungen der Musiker weit über die Möglichkeiten des Instrumentes hinaus, das ihnen zur Verfügung steht. Dann müssen wieder Kompromisse gemacht werden.
Sie haben ja schon vorhin erzählt, dass sie beim Stimmen ganz genau hinhören müssen. Haben sie sich inzwischen ein absolutes Gehör antrainiert?
Nein. Mit einem absoluten Gehör muss man, glaube ich, geboren werden. Oder man fängt sehr sehr früh an zu trainieren. Ich höre die Stimmung, wie gesagt, über den Vergleich der verschiedenen Intervalle.
Sie waren schon bei sehr vielen Konzerten dabei und haben viele Künstler persönlich getroffen. Was war ihre verrückteste Erfahrung.
Das ist eine schwierige Frage. Einmal musste ich durch den Tiergarten zu einer Probe rennen, weil ich sonst zu spät gekommen wäre. Für den Weltkirchentag war nämlich alles abgesperrt und ich musste einen alternativen Weg finden. Und natürlich sind viele Künstlerbegegnungen sehr spannend.
Können sie eigentlich alles stimmen, was Saiten hat?
Nicht nur alles was Seiten hat. Inzwischen kann ich glaube ich quasi jedes Instrument stimmen. Das schwierigste ist dabei schließlich zu hören ob der Ton stimmt. Die Technik hat man schnell drauf.