
Die Komponistin Isabel Mundry komme aus einer musikalischen Familie, erzählt sie beim Interview nach der Probe des Trio Catch mit ihrem Werk „Sound-Archaeologies“ . Da es in ihrer Familie dazu gehörte, die Kinder zum Klavierunterricht zu schicken, habe sie schon ziemlich früh einen Zugang zur Musik gefunden. Doch hasste sie ihren ersten Klavierunterricht und fand ihn schrecklich langweilig, meint sie, denn anstatt richtige Melodien zuspielen, habe sie immer nur Fingerübungen machen müssen. So habe sie angefangen, sich heimlich selbst alle Lieder des Klavierbuchs beizubringen. Als schließlich ein Klaviervorspiel anstand, so berichtet sie, und sie sich weigerte daran teilzunehmen, flog sie aus dem Unterricht heraus. Dies hätte wohl das Ende ihrer Beziehung zu Musik sein können. Doch da sie die Musik schon damals sehr liebte, habe sie angefangen sich diese selbst mit den Notenbüchern ihrer Eltern zu erschließen und sich eine neue Lehrerin gesucht, welche sie sehr gefördert habe. Nebenbei habe sie schon ziemlich früh mit dem Improvisieren begonnen. Anfangs sei dies zwar noch sehr kindhaft pentatonisch gewesen, doch über die Jahre habe sie sich immer mehr die Harmonik erschlossen. Als sie 16 Jahre alt wurde, sei das Ganze dann plötzlich in eine atonale Form gekippt. Als sie begriffen habe, dass sie diese Form mit der Schrift durchleuchten wolle, habe sie sich Notenpapier gekauft und versucht, es aufzuschreiben. Schnell sei ihr klar geworden, dass sie gerade historisch neues Terrain betrat, weshalb sie sich Hilfe bei einem Lehrer für neue Musik suchte. Zudem wurde ihr klar, dass sie Komposition studieren wollte.
Wie werden Sie bei Ihrer Arbeit beeinflusst?
Anregungen finde ich natürlich zum einen in dem Medium, in dem ich mich bewege. So können mich künstlerische Formen bzw. Dinge, die in direkter Verbindung mit der Ästhetik stehen, wie z.b. Klänge, beeinflussend wirken. Doch die andere Frage ist, wo die Idee des neuen Stücks ansetzt und ihren thematischen Bezug findet. Da passiert es dann eher seltener, dass ich einfach ein Musikstück über Klänge schreibe, sondern fast immer ist es ein außermusikalischer Aspekt, der mich provoziert, über diese Sache auf ästhetische Weise nachzudenken, also in Form einer Komposition.
Beeinflussen sie beim Komponieren auch aktuelle Themen der Politik?
Erst ein mal muss man ja sagen, dass Politik nicht beeinflussend, sondern einwirkend ist.Doch gerade in den letzten 1 ½ Jahren haben sich meine Stücke gravierend geändert, denn in den vergangenen Jahren gab es ein paar sehr einschlägige Erlebnisse, bei denen ich das Gefühl hatte, dass es viel Ausdruck des Politischen im Lautlichen, in der Stimme und wie Dinge artikuliert werden, gibt. So habe ich in den vorherigen Jahren viel mit zeitgenössischer Lyrik gearbeitet und werde mich in nächster Zeit eher Texten widmen, die aus der Gegenwart stammen, ohne Lyrik. Zum Beispiel arbeite ich gerade an einem Projekt, bei dem ich sehr viele Gespräche mit einem Flüchtling führe, welche in mein neues Stück einfließen sollen. So ist also mein Zugang ins Politische, dass Musik ein Raum für die Wahrnehmung erzeugen soll.
Hat auch ihr neues Stück „Sound-Archaeologies“ einen aktuellen Bezug?
Das Stück ist für mich quasi eine Reaktion auf Schock-Erlebnisse, in welchem ich mich dazu aufgefordert habe, inne zu halten und ein Stück zu machen ohne Thema. So fing ich an über die Archetypen des Musikalischen zu schreiben. Ich wollte herausfinden, was alles in der Musik sprechen kann. So hat das Stück sehr viel mit dem Hören zu tun und den Musikern wird nicht gesagt,wie sie zählen sollen, sondern wie sie hören sollen. Ich sehe mein Stück also wie eine Art Studie über das Potenzial von Klang, welches ganz bewusst kein bestimmten Themen-Schwerpunkt hat.
Der Titel „Sound-Archaeologies“ und das Bassetthorn sind beide sehr vergangenheitsbezogen. Können Sie diesen Bezug nochmal weiter erläutern?
Wie ich schon angedeutet habe, geht es um die Frage zwischen nah und fern und zwar sowohl historisch als auch konkret. Wenn ich zum Beispiel die Cellistin auf dem Holz streichen lasse, könnte man zum einen sagen, wir befinden uns in der Neuen Musik. Zum anderen aber kann man sagen, dass ich im Archaischen bin, dort, wo die Instrumente noch nicht so stark differenziert werden. Solche Bilder finden sich in diesem Stück. Dies habe ich versucht in den ganz weiten Raum zu legen, wo sich Musik erst formt. So bin ich auch zu dem Begriff Archetypen gekommen.
Können Sie Ihren Musik-Stil in einem bis zwei Sätzen beschreiben?
Es interessiert mich nicht, nur abstrakt zu sein oder nur in kleinen Modellen oder Modulen zu arbeiten, sondern es interessiert mich, den Raum des musikalischen Potenzials, in seiner ganzen geschichtlichen Tiefe, in die Gegenwart einzubeziehen. So ist mir zum Beispiel Harmonik sehr wichtig. Ich kann nicht einfach, wie es in der Neuen Musik oft der Fall ist, einfach einen beliebigen Ton an einer Stelle wählen, sondern bin bei einem festen Thema immer darauf bedacht, die passende Harmonik zu finden.
So kann ich in einem Satz sagen: Ich versuche künstlerisch reflexiv zu sein, sowohl auf ein Thema als auch auf die Kunst und akzeptiere gleichzeitig, dass mich die Kunst sinnlich packt.
Widmen Sie sich mit Ihrer Musik Themen oder wollen Sie sich selbst ausdrücken?
Ich fände es ein bisschen narzisstisch, mich selbst auszudrücken. Deshalb verfolge ich eigentlich immer das andere Modell. Das bedeutet, dass ich versuche, mich Themen zu widmen. Was ich jedoch ganz interessant finde, ist, dass Leute mir sagen, dass sie meine Musik mit mir identifizieren. Das finde ich schön, doch kann ich trotzdem frei alle Themen mit meiner Art und Körpersprache bearbeiten.