Ultraschall Festival Berlin

Festival für neue Musik, veranstaltet von Deutschlandfunk Kultur und rbb Kultur.

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Steve Reich // Steffen Schleiermacher // Peter Eötvös // György Ligeti

Steve Reich: Piano Phase (1967)

Piano Phase (1967) ist das unmittelbare Resultat meiner Arbeit der Jahre 1965/66 an zwei simultan laufenden Bandgeräten mit identischen Tonschleifen, wobei durch kaum merkliche Veränderungen der Bandgeschwindigkeiten behutsame Phasenverschiebungen zwischen zwei gleichen, sich wiederholenden Mustern erzeugt wurden. Diese Band-Studie führte zu It’s Gonna Rain, Come Out und Melodica. Da der Vorgang fortschreitender Phasenverschiebung eigentlich typisch für Maschinen ist (Scheibenwischer an einem Bus, Signaltöne an einem Eisenbahnübergang usw.), war ich nicht sicher, ob er von zwei Personen dargestellt werden könnte. Über mehrere Monate hinweg haben Art Murphy und ich – indem wir zuerst in Heimarbeit gegen Bandaufzeichnungen unseres eigenen Spiels, dann auf zwei Klavieren gespielt haben – herausgefunden, dass wir zwar nicht über die Perfektion von Maschinen verfügten, wir uns ihnen jedoch einigermaßen annähern konnten und in den Genuss einer völlig neuen und besonders befriedigenden Spielweise kamen, die sowohl vorweg gänzlich ausgearbeitet als auch frei vom tatsächlichen Lesen des Notentextes war, wodurch wir während des Spielens vollständig vom Zuhören vereinnahmt wurden.

Das Stück ist in drei Abschnitte geteilt, die durch Wechsel der Noten und Muster gekennzeichnet sind. Der erste besteht aus zwölf Schlägen in natürlichem b-Moll, der zweite aus acht Schlägen, die einen scheinbaren Dominantakkord auf E bilden, und der letzte aus vier Schlägen in A (möglicherweise Dur, aber ohne eine klare Terz).
(Steve Reich)

 

Steffen Schleiermacher: Triptychon – Hommage à Max Beckmann (2009)

(…) Es ist schwer zu sagen, was mich an Beckmann fasziniert. Irgendeine Schwäche (?) für Bildende Kunst habe ich sicher. Und einige meiner Freunde sind Bildende Künstler. (Morton Feldman bräuchte mich also nicht zu bedauern, sagte er doch einmal, er würde diejenigen Komponisten sehr bedauern, die keine Maler unter ihren Freunden hätten …). Viele meiner Kompositionen sind von Bildender Kunst inspiriert (gut – manche auch von Varèse oder eben Feldman) – auch Stücke, die dies vielleicht nicht gleich im Titel verraten. Doch warum mich bestimmte Künstler (zu einem bestimmten Zeitpunkt) anziehen und zu eigenem Schaffen anregen, lässt sich kaum exakt erklären, bestenfalls kommentieren. (…) Mich faszinieren und interessieren verschiedene Aspekte bei Beckmann, die jedoch weder hierarchisch geordnet noch alle gleichwichtig sind: Sein Hang zur Vermischung von Realität, Traum und Mythos – sowie deren Simultaneität in seinen Bildern. Seine “versponnenen Spiegelungen” und seine Liebe zu Jean Paul. Seine oft unmittelbare Anwesenheit in seinen Bildern als Betrachter der eigenen Szene. Die Konturenhaftigkeit seiner Malerei durch die schwarze Umrandung der Gestalten. Seine oft grelle Farbigkeit. Seine Balance zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion. Sein Augenmerk auf Hintergründe als Projektionsfläche. Seine Liebe zu Unterhaltung wie Zirkus und Varieté. Auch zum Jazz. Ich habe natürlich kein konkretes Bild “vertont”.

Doch neben “Einzelbildern” beeindrucken mich immer wieder viele seiner Triptychen. (Mir leider auch fast nur aus Abbildungen bekannt  …) Doch wie es bei dem Beckmannschen Triptychon nicht drei einzelne Bilder gibt, die nebeneinander hängen, sondern es sich um ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht historischer, inhaltlicher, formaler und farblicher Art zwischen den Flügeln und dem Mittelbild handelt, so habe ich kein dreisätziges Stück komponiert, sondern die immanente Dreiteiligkeit durch viele Querverweise, Wiederaufnahmen und Spiegelungen verborgen. In vielen Bildern von Beckmann tauchen übrigens Tiere auf, vorwiegend Fische und Vögel. Fische sind ja bekanntlich stumm. Einige Vogelrufe haben jedoch – durchaus ironisch zu Messiaen sich bekennend – Eingang in die Komposition gefunden.
(Steffen Schleiermacher)

 

Peter Eötvös: Kosmos. Version für zwei Klaviere (1961/1999)

Eine Rückschau auf die Jugendjahre eines berühmten Komponisten erlaubt das Werk Kosmos: Es hat seine Ursprünge in der Zeit, als Peter Eötvös noch Student bei Zoltán Kodály an der Budapester Musikakademie war. Entstanden ist es als spontane Reaktion auf einen überaus bewegenden historischen Moment: auf die Nachricht des ersten Menschen im Weltall, als der sowjetische Kosmonaut Jurij Gagarin am 12. April 1961 im Raumschiff Wostok 1 für 106 Minuten die Erde umrundete. Die Musik vermittelt die Euphorie und auch den jugendlichen Übermut des jungen Komponisten, den das bahnbrechende Ereignis seinerzeit zu einer kreativen Entladung am Klavier beflügelte. Unmittelbar, atmosphärisch, mit kraftvollen Gesten, kompromisslos und klanglich ungemein vielschichtig bannt Eötvös Milliarden von Jahren des Werdens galaktischer Dimensionen auf wenige Minuten auf den Klaviertasten. »Humor ist in all meinen Kompositionen präsent. Dies ist eine bestimmte Art der Weltsicht, ein besonderer Blick auf das Leben«, sagt Eötvös. Schon in der Ungeheuerlichkeit des Unterfangens, überhaupt solch ein Sujet für ein relativ kurzes Klavierwerk heranzuziehen, scheint ein ganz eigener Witz hindurch. Später hat der Komponist sein Jugendwerk launig kommentiert:

“In der Zeit, als Gagarin zum ersten Mal in den Kosmos hinausflog, war ich gerade 17 Jahre alt und vollkommen berauscht von dem Gefühl der Unendlichkeit. Als ‘Fortsetzung’ von Bartóks Klänge der Nacht habe ich versucht, kosmische Klänge zu komponieren, eine Phase des Weltalls in ein paar Minuten zusammenfassen: Nach dem Big-Bang entstehen langsam die Galaxien, die Sonnen und Sterne. Die kosmischen Gestalten werden immer komplexer, und die Ausdehnung erreicht ihr Maximum. (Wir fliegen kurz über die Erde und hören einige Töne aus Transsylvanien – wo ich geboren wurde.) Dann beginnt das Weltall  zu schrumpfen, die Gestalten lösen sich auf und bereiten den nächsten Urknall vor.”

 

Steffen Schleiermacher: Wund-Gestein. Hommage à Gerhard Altenbourg (2013. UA)

“Sind die Leute erst einmal in den Konzerten, sind sie oft begeistert oder äußern zumindest eine Meinung. Das ist ja das Schöne bei der neuen Musik: Man darf und soll sogar über sie diskutieren, was bei all diesen autonomen Meisterwerken, die schon seit 100 oder 200 Jahren heilig gesprochen sind, gar nicht mehr möglich ist.” Diese Überzeugung hat der Komponist, Pianist und Dirigent Steffen Schleiermacher vor einigen Jahren formuliert. Seine Werke setzen sich sowohl mit der Tradition als auch mit der Gegenwart auseinander und nehmen Stellung dazu, als höchst individuelle Äußerungen, die stets eine besondere, oft überraschende Perspektive eröffnen. Zu den Inspirationen und Bezugspunkten in seiner vielgestaltigen Musik, die Schleiermachers breitgefächerte Interessen wiederspiegelt, gehören neben Schriftstellern, Komponisten, Dirigenten, Tänzerinnen und sogar Pop-Diven immer auch Bildende Künstler, etwa Paul Klee, Alexander Calder, Hans Hartung und Francisco Goya. In seinem neuen Werk bezieht sich Schleiermacher auf Gerhard Altenbourg. Der Künstler, mit bürgerlichem Namen Gerhard Störch, arbeitete fernab vom offiziellen Kunstbetrieb der DDR in seinem Elternhaus im thüringischen Altenburg. Altenbourgs druckgrafische Werke bewegen sich zwischen Abstraktion und Konkretem, Phantasmagorie, Traum, Archaik und Naturstudien. Von den Verfechtern des Sozialistischen Realismus im Osten wurde er beargwöhnt; im Westen blieb er trotz der Präsentation von Werken auf der Documenta II 1959 in Kassel ein Geheimtipp. Über seine Hommage an Altenbourg sagt Steffen Schleiermacher: “Der Titel bezieht sich auf zwei Künstlerbücher des Malers und Grafikers Gerhard Altenbourg (1926–1989): Ich-Gestein (1971) und Wund-Denkmale (1984). Die Stücke sind keine Illustrationen zu den Büchern. Sie beziehen sich einerseits auf den verspielten, leichten und skurrilen Charakter der Bilder und Texte von Altenbourg, andererseits übertragen sie die von Altenbourg oft angewandte besondere Form des Farbholzschnittes: Der Druck erfolgte pro Blatt mehrfach mit verschiedenen Farben immer wieder vom gleichen Stock, wobei dieser jedoch vom Künstler stets etwas verschoben oder verändert wurde.”

 

György Ligeti: Monument – Selbstporträt – Bewegung. Drei Stücke für zwei Klaviere (1976)

1976, während György Ligeti an seiner spektakulären, abendfüllenden “Anti-Anti-Oper” Le Grand Macabre arbeitete, schrieb er zwischendurch seine drei Stücke Monument –Selbstportrait – Bewegung. Sie sind alles andere als bloße Fingerübungen während der Komposition des großen Musiktheaterstücks, sondern eine komplexe Rhythmus- und Klangfarbenstudie über das simultane Spiel auf zwei Klavieren, Experimente mit repetitiven rhythmischen Einheiten, ihre bewusste Manipulierung und ein faszinierendes Spiel mit der Wahrnehmung von Bewegung. Dies führt bei Ligeti sowohl zu neuen, im Notentext nicht fixierten Rhythmusstrukturen als auch zum Eindruck eines flächigen Stillstands. Ähnliches hatte der Komponist erstmals 1968 in seinem Cembalostück Continuum (1968) an einem Tasteninstrument ausprobiert. In seinen drei Stücken für zwei Klaviere weitete er diese Experimente klanglich und formal aus. Der volle Titel des zweiten Stücks Selbstportrait mit Reich und Riley (und Chopin ist auch dabei) bezieht sich ausdrücklich auf Ligetis US-Kollegen Steve Reich und Terry Riley und verweist darauf, dass alle drei Komponisten zu vergleichbaren Ergebnissen in ihren Rhythmus-Experimenten gekommen sind, wenn auch über verschiedene Wege. Statt mit Phasenverschiebungen – wie Steve Reich – arbeitet Ligeti in seinen Drei Stücken mit der Gegenüberstellung und Schichtung unterschiedlicher Rhythmusmuster. In Monument kontrastiert er ähnliche Figuren der beiden Klaviere in unterschiedlichen Metren. Über Selbstportrait hat Ligeti geschrieben: “Da werden Figuren gespielt, die als solche gar nicht erklingen (wegen der teilweisen Blockierung der Tasten), andererseits erscheinen Stroboskop-Muster, die nicht unmittelbar gespielt wurden, sondern nur durch die Interaktion der einzelnen gespielten Figuren virtuell entstehen.” Das dritte Stück mit dem vollen Titel In ruhig fließender Bewegung schafft einen Bezugsrahmen zum grotesken Scherzo aus Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 2 c-Moll, das mit seinen fortwährenden Drehbewegungen den Eindruck eines Perpetuum mobiles hinterlässt. Ligeti geht indes noch weiter – und überdreht lustvoll den rhythmischen Wirbel.

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