Das Publikum ist gespannt und gebannt. Keiner weiß, was kommen wird, und diesen Effekt merkt man im fast vollständig ausverkauften Konzert im Radialsystem Berlin. Die fünf Kompositionen, die das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin in etwas über 90 Minuten aufführt, sind von Takt zu Takt unvorhersehbar.
Als Erstes steht das Klavierkonzert „The Orgy of the Oxymorons“ von Margareta Ferek-Petrić auf dem Programm, in dem wirklich das grammatische Stilmittel des Gegensatzes zum Audruck kommt. Ein typisches Klavierkonzert – und dann doch wieder nicht. Die Pianistin Maria Radutu steht im Mittelpunkt, wie sie das Klavier vielseitig bespielt, alles in allem hat das Stück eine mutige und explosive Wirkung.
Das Stück „Baukasten“ von Georg Katzer stammt aus dem Jahr 1972. Der Komponist, der in der DDR lebte, variierte mit Mitteln der zeitgenössischen Musik die gleichen 10 Takte immer wieder neu. Georg Katzer bezeichnete das Prinzip dieser Komposition als „Bauklötze“. Auch wenn es das älteste Stück des Abends ist, wirkt es trotzdem neu und unberechenbar.
„Lica Persefone“ beschreibt die beiden Zustände der Göttin Persefone. Im Winter lebt sie mit Hades in der Unterwelt und im Sommer auf dem Olymp mit ihren Eltern. Misha Cvijović, die Komponistin des Stückes, lässt das Publikum mit ihrer Musik in Kombination mit dem Titel, in die Gedankenwelt der Persefone blicken. Im ersten Satz, welcher den Winter darstellen soll, hört man zärtliche, miteinander in gleichen Linien spielende Instrumentengruppen, aber auch tiefe und dunkle Klänge. Der zweite Satz ist geprägt von lebendigen 7/8-Takt-Melodien, welche Sommer, Zeit für Gemeinschaft, Freude und Wärme verkörpern. Hier merkt man eindeutig die verschiedenen Stimmungen der beiden Sätze. Das Orchester konnte die Wirkung des Werkes deutlich überbringen und auch dem Dirigenten Enno Poppe sah man die Gefühle und Leidenschaft an.
„Eternity in an Hour“ setzt sich mit dem Konzept der Ewigkeit auseinander. In dieser Komposition versuchte Christian Mason das Gefühl einzubringen, welches man hat, wenn man der Zeit entflieht. Im Interview erklärt Christian Mason später, dass er versucht, den magischen Effekt von Musik dazustellen. Zu dem Titel des Stückes wurde er von einem Gedicht von William Blake inspiriert, das einen Zustand von >Nicht-Zeit< beschreibt. Teile der Komposition wurden ursprünglich für eine Oper geschrieben, weshalb das Werk einen träumerischen und bildreichen Eindruck lässt.
Für „Ljubljana24“ von Martón Illés verlassen die meisten Musikerinnen und Musiker des RSB die Bühne, denn es ist geschrieben für 24 Streicher. Der Komponist beschrieb im Bühnengespräch mit Rainer Pöllmann seine Suche nach einem „primordialen“ Klang, der nicht von festgelegten Tonhöhen bestimmt, sondern davon befreit ist. Ursprünglich komponierte er das Stück für 12 Streicher, in einer Serie von Streichkonzerten in Ljubljana, aber in einer Neufassung verdoppelte er die Besetzung. In der Komposition bemerkt man beides: eine konzentrierte Gemeinsamkeit und doch einen untypisch befreiten Klang. Das Ergebnis dieser Kombination wirkte überzeugend und angenehm. Man konnte den Einklang des Publikums und die Faszination vom Abend erfassen.