Eine Gefahr lauert. Die Musik hört sich bedrohlich an. Alexandra Filonenkos „Memory Code“ steht am Anfang des Eröffnungskonzertes von Ultraschall Berlin 2024, das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin wird dirigiert von Lin Liao.
Die Musik lässt einen in die Welt der Ungewissheit eintauchen. Erst ein schwertähnliches Geräusch, gefolgt von aufgebrachter, fast schon tragischer Musik. Ich sitze wie gefesselt da. Für mich, jetzt schon, atemberaubend. Nun wird es laut. Bedrohliche Töne fluten den Saal. Mysteriös und unberechenbar ist die Musik. Da ich in den Proben war ist es für mich nicht so unberechenbar, für das Publikum ist dies aber wahr. Kuriose Klänge. Und wieder dieser schneidende Ton. Was er darstellen soll – keine Ahnung. Soll dieser Ton eine Katana darstellen, also etwas Südamerikanisches oder eher etwas Orientalisches, wie ein Samurai-schwert? Diese Frage stelle ich mir seit den Proben. Meine Antwort: das Samurai Schwert, der Ton passt zu diesem Schwert perfekt. Nicht nur deshalb weiß ich, dieses Stück ist beeindruckend. Noch tausend andere Gedanken dazu sind mir eingefallen.
Dann Stille. Nur kurz. Wieder bewegt sich alles, ein regelrechter Wirbelsturm. Knallerbsen-Geräusche, erschreckend und doch irgendwie passend. Auf jeden Fall, interessanter Klang. Wegen dieser und anderer energischer Töne klopft mein Herz wie wild. Wieder das Schwert. Es wird geschärft! Sehr beunruhigend. Das Stück endet mit dem Klang von laufenden Stöckelschuhen. Ich fühle mich angespannt, aufgrund der Ungewissheit, und dieses Stück war erst der Anfang eines prachtvollen Abends.
Doch für mich ist dieses Stück noch lange nicht zu Ende. In meinem Kopf drehen sich die verschiedensten Gedanken. Teilwiese hat sich mir dieses Stück erschlossen, dennoch bin ich mir nicht ganz sicher ob ich das meiste überhaupt verstanden habe. Und während ich das nächste Stück höre, ein Trompetenkonzert von Nina Šenk, muss ich noch über das erste nachdenken und meine Gedanken ordnen. Was, wenn ich das ganze missverstanden hatte – war einer meiner Gedanken. Traurige Trompetentöne unterbrechen mich. Ich muss mich später damit befassen. Bin ich im falschen Film gelandet? Ich dachte, es geht hier um Ungewissheit? Die Gesichter des Publikums sind weitgehend angespannt und fokussiert. Die Musiker hingegen wirken auf mich beruhigt und sogar erfreuet. Mein Körper aber ist nicht entspannt. Wie komisch. Nichtdestotrotz finde ich in der Musik unerwartete Wendungen wieder, die wiederum im Publikum Aufsehen erregen. Die Saiten der Streicher werden gezupft, entspannend. Spätestens jetzt ist das Publikum erleichtert. Zuvor war die Anspannung spürbar, nun gehört sie zur Vergangenheit. Ab jetzt wird es langsamer und ruhiger. Ich sehe ein Stirnrunzeln. Zurecht, es ist wunderlich, wie die Musik so schnell wechseln konnte und doch so elegant. Dies ist halt die Magie der Musik.