…das Festival schon. „Zeitgenössische Musik“, „Neue Musik“, „Experimentelle Musik“ – was versteht man darunter? Schon das zu entdecken, ist ein wichtiger Punkt, warum sich das Festival Ultraschall Berlin absolut lohnt. Man bekommt einen Eindruck, was man sich überhaupt unter all dem vorstellen darf. Aber verlangen Sie jetzt bitte nicht, dass ich es Ihnen erkläre… Na gut, überredet, ich versuche es mal – am Beispiel dieses Festivals wohlgemerkt.
„Zeitgenössische Musik“ versucht etwas Besonderes, Neues zu kreieren. Dabei orientiert sie sich gerne an Altbekanntem und schafft mal mehr, mal weniger eine Trennung. Bei Ultraschall begegnet einem da Bernhard Lang, der sich in seiner Monadologie-Reihe wohlbekannte „klassische Stücke“ zum Vorbild nahm und dann etwas völlig Neues daraus machte. Auf der anderen Seite jemand wie Stefan Prins, bei dessen Musik man teils schwerlich noch die Instrumente erkennt. Die Bandbreite ist riesig – genau das macht es so besonders. Bei vielen anderen Musikrichtungen weiß man, was man will und auch was man bekommen wird.
Bei Neuer Musik sitzt man im Saal und fragt sich, ob es so eine gute Idee war, sich direkt vors Schlagwerk zu setzen oder was dieser herabhängende Strauch links von der Bühne zu suchen hat. Alles, was man erwarten darf, ist dass es etwas Andersartiges sein wird. Etwas, das sich von dem abhebt, was man kennt. Mal ist das ein besonderer Hintergedanke, der dem Stück zugrunde liegt, mal die Verwendung der verrücktesten Instrumente oder das Entstellen des eigentlichen Klangs eines eigentlich sehr vertrauten Klangkörpers. Durch diese experimentelle Haltung entsteht ein interessanter Umgang mit den Werken. Viele sehen ein Stück vielleicht als abgeschlossen an, andere ziehen in Betracht, das komplette Konzept noch einmal umzukrempeln.
Bei all dem Ausprobieren, den teils wohl etwas hochgegriffenen Hintergründen und hochkomplexen Umsetzungsmethoden hilft der zeitgenössischen Musik der Aspekt, dass die Komponist*innen in aller Regel noch am Leben sind. Man kann also nachfragen, wie dieses oder jenes gemeint ist und muss sich nicht totinterpretieren. Auch wird einem ein Stück sehr viel nahbarer, wenn beim Schlussapplaus die Person, die für das eben Gehörte verantwortlich ist, auf der Bühne steht und im Zweifelsfall noch einige Fragen in einem kurzen Gespräch beantwortet. Für die Proben gilt natürlich dasselbe. Es ist ein Unterschied, ob man einem ernsten Orchester dabei zusieht, wie es einen alten Klassiker wieder hochholt, den man sich in tausendfacher Ausführung aus Spotify anhören kann, oder ob man dabei sein darf, wie eine Komponistin in der Probe zusammen mit den Musiker*innen eine Uraufführung vorbereitet. Neue Musik, Zeitgenössische Musik oder auch Experimentelle Musik, gleich drei Seiten ein und derselben Medaille, die sehr unterhaltsam sein kann, manch einen zum Nachdenken anregen oder die Gehörgänge zerreißen. Kein großes Wunder bei der Unzahl an Ideen und Interpretationen, die sich unter diesem Begriff zusammenfassen lassen. Probieren Sie diese Art der Musik mal aus, die Wahrscheinlichkeit, dass nichts für Sie dabei ist, ist wirklich sehr gering!