„Piano Concerto“, der Werktitel von Christian Winther Christensen scheint ironisch, oder mindestens provokant gewählt zu sein, denn auf Bas Wiegers‘ Einsatz folgt wider Erwarten kein pompöser, tonaler Orchestereinsatz des Rundfunk-Sinfonieorchesters im Forte. Stattdessen klingt es eher, als ob Christensen Musik aus einem anderen Raum über eine schwache Internetleitung ins Publikum übertragen würde. Man hat als Zuhörer den Eindruck, die Welt aus einem blubbernden Kochtopf heraus zu hören. Durch die Präparation des Flügels scheinen die pianistischen Äußerungen von Rei Nakamura wie durch Wasser gedämpft. So als ob jemand in der Küche am Sendersucher des Radios drehen würde, ertönen Fetzen klassischer Musik wie Schatten, unterbrochen von verschiedenen rhythmischen Mustern, die das Bild entstehen lassen, dass in dieser Unterwasserwelt allerlei Gargut neben einem an die Topfwand klopft.
Zum Ende des ersten Satzes tippt Nakamura rhythmisch auf das linke Pedal. Es scheint, als würde hier das ungeduldige, kritische Publikum persifliert, das sich nun selbst auf der Bühne zusehen kann. Auf die Irritation folgt drückende, spannungsgeladene Stille, bis endlich das Orchester im Tutti die Partitur umblättert.
Die Klangwelt dieses Klavierkonzertes ist mechanisch – eine Welt voller Repetitionen. Die Klangfarbe ist durchgehend ungewohnt. Das Klavier klingt synthetisch, wie eine Maschine. Atemklänge der Bläser und Reibelaute der Streicher erzeugen mal geräuschhaftes Gewusel und mal den Eindruck eines großen, atmenden Wesens. Mitunter klingt das Werk wie experimentelle Technomusik, ein Bassklang schält sich zeitweise fast wummernd heraus.
Interessant ist das Zusammenspiel von Solistin und Orchester: Das präparierte Klavier, von Rei Nakamura gespielt, gibt Impulse, die in verblüffend ähnlicher Klangfarbe vom Orchester aufgegriffen werden, sodass die Grenzen zwischen den Instrumenten verschwimmen. An einer Stelle wiederholt Nakamura eine Passage immer und immer wieder. Sie spielt dabei nicht jede Wiederholung gleich, sondern scheinbar „fehlerhaft“, sodass jedes von ihnen kleine Änderungen trägt, die sie einzigartig machen. Eine Herausforderung des Komponisten zur detaillierten Wahrnehmung an das Publikum steht. Nakamuras Imperfektion steht darüber hinaus im Gegensatz zum vorher entstandenen Eindruck der mechanischen Spielweise des Orchesters.
Nur an wenigen Stellen ertönt ein den Liebhabern klassischer Musik bekannter Orchesterklang. Dieser erklingt als Impuls, der sich zwar wiederholt, aber nie zur Entfaltung kommt. Es ist, als würde das Orchester zur Atmung ansetzen – aber dann doch entscheiden, dass dies nicht in die Klangwelt des Klavierkonzertes gehört. Ein Schwingen und Aufblühen des klassischen Orchestergestus sucht man vergeblich.
Christiansens Werk endet mit repetitiven Akkorden, die durch die Präparation des Flügels gedämpft, wie aus einer fernen Welt unheimlich pochend an das Ohr des Zuhörers drängen. Sie wiederholen sich, werden langsamer, stocken und pulsieren weiter in schwächerer Form. In diesen letzten Klängen des Konzertes verlangsamt sich der vorher so schnelle und wuselig-mechanische Atemrythmus der Musik. Das Stück scheint mit viel Kraft seine letzten Vitalzeichen abzugeben, die jedoch nur ein gedämpftes Pochen sind und im Innenraum des Flügels widerhallen. Hat da jemand die klassische Musik umgebracht?