![Vorbereitungen](https://ultraschallberlin.de/wp-content/uploads/2021/01/20210120_Ultraschall-Festival_Notos-Quartett_web-002-300x200.jpg)
Es ist Mittwoch, der 20.1.21 und das Eröffnungskonzert für Ultraschall Berlin beginnt mit dem Notos Quartett aus Berlin. Am Vortag haben wir die Musikerinnen und Musiker über Zoom in ihrem Probenraum in Berlin Kreuzberg besucht. Sie haben uns dabei schon kurze Ausschnitte aus ihrem Repertoire vorgespielt und über ihre Arbeit als Quartett in Zeiten der Pandemie erzählt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ensembles haben sich die vier bewusst gegen sogenannte „Wohnzimmerkonzerte“ entschieden, die in den letzten Monaten so populär wurden. Denn für das Quartett sei es besonders wichtig, die Präsenz des Publikums und die eigene Anspannung zu spüren. Außerdem soll die Qualität der Musik nicht darunter leiden, dass eine semi-professionelle Aufnahme eines Stückes im Internet steht. Trotzdem nehmen die vier in diesem Jahr am Ultraschall-Festival teil, denn auch in einer Radioaufnahme entsteht die nötige Spannung und professionelle Tonqualität, die sich das Ensemble wünscht.
Ich mache es mir auf dem Sofa bequem und warte gespannt. Zwar kann ich nicht wie gewohnt und eigentlich vorgesehen im Sendesaal des RBB sitzen und den Klang eines großen Sinfonieorchesters genießen, aber die Radioübertragung des Konzertes findet wie gewohnt statt.
Die Musikerinnen und Musiker spielen als Klavierquartett, eine Geige, eine Bratsche, ein Cello und ein Klavier schon seit mehreren Jahren zusammen. Sie beginnen das Ultraschall-Festival mit dem Werk ‚Schwarze Perlen‘ von Bernhard Gander. Schwarz sind die besonders wertvollen Perlen, die in der Mythologie Polynesiens die Sterne am Himmel schaffen sollen. Ebenso schwarz und wertvoll scheint mir auch die Musik, die aus meinen Radio-Lautsprecherboxen dringt. Die Bögen der Streichinstrumente schaben kratzig über die Saiten, das Klavier untermalt mit Staccato-Klängen. Mit der Zeit steigert sich die Musik zu einem ausdrucksstarken Stück. Der Komponist Bernhard Gander soll durch Heavy Metal inspiriert worden sein, doch für mich klingt es eher minimalistisch, wenn die Streicher wieder und wieder die gleichen, gehaltenen Dissonanzen wiederholen und das Klavier zugleich in Achteln tobt. Es ist ein schwungvoller Start, den das Notos Quartett dem Ultraschall-Festival beschert.
Es folgen ‚Still Movement with Hymn‘ von Aaron Jay Kernis, das älteste Werk auf dem Programm (1993) und ‚Spirals‘ (2020) von Bryce Dessner. Stark unterscheiden sich diese beiden Stücke vom einleitenden, schwungvollen Start. ‚Still Movement with Hymn‘ wurde beispielsweise bewusst als politische Musik geschrieben, in der die „Genozide in Bosnien und Kroatien thematisiert werde“, wie der Komponist in der Partitur voranstellt. Und so lassen sich die klagenden Klänge der Streicher und die gehaltenen Akkorde im Klavier schnell als bittendes Gebet verstehen.
Doch der Zauber von Musik, gerade von neuer Musik, ist nur halb so groß, wenn ich alleine auf dem Sofa sitze und dem Radio zuhöre. Was ist mit den konzentrierten Gesichtern der Musikerinnen und Musiker, die wir in ihrer Zoom-Probe sehen durften? Was ist mit dem viel zu stickigen Konzertsaal, dem tosenden Applaus und einer freundvollen Verbeugung?