Ein Buhruf erklingt am Ende des Eröffnungskonzertes, nach dem Stück Violinkonzert Nr. 2 von Jörg Widmann. Ein einzelner Mensch gibt seine Empörung lautstark kund; die Masse reagiert mit lauterem Jubel. Die Solistin, der das Stück gewidmet ist, wirkt betroffen und geht trotzdem ein weiteres Mal auf die Bühne – für Applaus, für die anderen Menschen.
Auch ich bin durch dieses Verhalten emotional aufgewühlt. Verwirrt über das Verhalten, da ein Buhruf so unkonstruktiv ist und Mensch verwundernd zurücklässt, da nicht deutlich wird, was dem Menschen gestört, aufgeregt oder sogar verärgert hat. Wahrscheinlich war die Person so aufgebracht, dass sie all ihre Emotionen nicht zurückhalten oder für ein konstruktives Gespräch aufheben konnte.
Wenn mir etwas nicht gefällt, dann klatsche ich nicht oder ich verlasse den Raum. Es kann niemand etwas für meinen persönlichen Geschmack. Buhen würde ich höchstens, wenn Menschenrechte oder das Grundgesetz missachtet würden, sei es durch Taten oder Worte, denn dies ist eindeutig rechtlich festlegbar. Solche Handlungen sollten nicht durch Stille toleriert, sondern die Stimme dagegen erhoben werden. Doch auch da empfinde ich es als sinnvoller, die Sache direkt anzusprechen. Außerdem würdigt ein Buhruf die Arbeit, die in das Werk investiert wurde, nicht. Meines Erachtens ist dies respektlos.
Musik kann Gemüter spalten. Beim Applaus wird dies sehr deutlich. Die Masse klatscht und jubelt dem Orchester zu, der sehr emotional spielenden Solistin Carolin Widmann und dem eingesprungenen Johannes Kalitzke, der die Musiker gekonnt und energetisch dirigiert. Gesichter blicken verwundert zu dem einen Menschen, der buht.