
Wir besuchen heute eine Generalprobe im Haus des Rundfunks. Geprobt wird für die Eröffnung des Ultraschall-Festivals, und wir, die UltraschallReporter, dürfen dabei sein. Im Vorfeld ist leider der Dirigent Marc Albrecht erkrankt, weswegen nun Johannes Kalitzke für ihn einspringt.

Wir sprechen mit Johannes Watzel aus der Gruppe der zweiten Geigen des DSO darüber. Er erklärt, dass man als Orchesterspieler beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin ständig andere Dirigenten hat und deswegen flexibel sein muss. Allerdings sei dies wesentlich einfacher, wenn der Dirigent sich mit der Art der Musik sehr gut auskennt.
Wir reden auch darüber, was neue Musik von klassischer Musik unterscheidet. Johannes Watzel zeigt uns, dass jeder Komponist eine eigene Symbolsprache für seine Partituren entwickelt, um auszudrücken, was zu spielen ist. Aber manchmal ist das Werk so komplex, dass das Einüben der Noten allein nicht reicht. Es muss mit dem Orchester besprochen und oft geprobt werden: „Das ist dann manchmal frustrierend, aber irgendwann funktioniert es dann.“ Aber auch beim Üben allein brauche man einen anderen Ansatz, man müsse abstrakter denken. Neue Musik ist für den Geiger eine erfrischende Herausforderung, man kann sich manchmal nicht einmal an vorherigen Interpretationen orientieren, weil es noch keine Aufnahmen der Stücke gibt. „Oft sind wir die Ersten, die eine Aufnahme machen.“
Der Dirigent Johannes Kalitzke ist selbst Komponist und kennt sich mit neuer Musik sehr gut aus. Im Interview sagt er, dass es ihm insbesondere um das Erlebnis des Zuhörers geht: Musik ist für ihn alles, was den Zuhörer sich selbst vergessen lässt und worin er sich versenken kann. In der neuen Musik bedeutet das konkret, dass ganz genau auf die vom Komponisten gewünschte Klangmischung geachtet werden muss. In der Probe weist er zum Beispiel einmal die Trompeter an, an jener Stelle einen obertonreicheren Klang zu produzieren.
Ich frage Johannes Kalitzke, was neue Musik von der Klassischen unterscheidet. Man fokussiere sich bei klassischer Musik auf eine emotionale Reaktion, die durch die technische Anordnung der Klänge entsteht. „Der Zuhörer wird geführt und erwartet diese Führung.“ Auch führe diese emotionale Reaktion dazu, dass man sich eingehender mit der Komposition beschäftigt. Musiker und auch Publikum fragen danach, wie diese emotionale Reaktion musikalisch zustande kommt. „Dieses Verhältnis kehrt sich jedoch in der neuen Musik um, die sich oft durch ihre ungewöhnlichen Klänge und Klangfarben auszeichnet.“ Hier werden neue Klänge und Möglichkeiten erfassbar, und der Zuhörer muss interpretieren, was dieses Stück in ihm auslöst oder was für eine Botschaft dahintersteht. Die Führung liegt komplett in der Hand des Zuhörers, er soll sich selbst den Weg durch die Musik weisen.
Dies macht den Raum frei für unglaubliche Möglichkeiten, und, um es mit Arnold Schönberg, einem der Begründer der neuen Musik, zu sagen: „Ich atme Luft von anderem Planeten.“