
Wir befinden uns im Radial System V, einem alten Pumpwerk, das nun als Veranstaltungsort dient. Hier werden wir heute die Aufführung „Also sprach Golem“ sehen, ein Musiktheater nach Motiven des Science-Fiction-Autors Stanislaw Lem. Wir bekommen vor der Aufführung noch die Gelegenheit, mit dem Komponisten Kaj Duncan David zu reden.
Mir fällt es schwer, den Ansatz des Stückes richtig einzuordnen, deswegen frage ich ihn danach. Er erklärt mir, dass dieses Stück sich mit einer Künstlichen Intelligenz beschäftigt, selbst aber keine einsetzt: Golem XIV, so heißt die KI, tritt als Projektion auf, die mittels Text, Bildern und Musik kommuniziert, um uns seine Überlegungen verständlich zu machen. Denn Golem XIV denkt 1000x schneller als ein Mensch. Kaj Duncan David erklärt mir, wie er an dieses Projekt herangegangen ist. Er hat sich vieler Umgebungsgeräusche bedient, die er dann mit mechanischen Klängen verfremdete, um wiederzugeben, dass Golem XIV trotzdem immer noch Computer bleibt.

Dann dürfen wir auch mit Thomas Fiedler reden, der an dem Buch, der Konzeption der Aufführung und ihrer Inszenierung beteiligt ist. Aber wir reden nur kurz mit ihm, denn plötzlich ist der Strom weg und die gesamten Einstellungen müssen noch einmal durchgegangen werden. Doch glücklicherweise wird das Problem schnell behoben, die Vorstellung startet mit ein paar Minuten Verspätung.
Und dann geht es auch schon los: Wir bekommen eine Belehrung von einer Moderatorin, weil dies unsere erste Begegnung mit Golem XIV sei. Dann tritt Graham F. Valentine als Professor auf die Bühne, um uns durch das Stück zu begleiten. Er erklärt uns, ganz in sein Thema vertieft und begeistert, wie es dazu kam, dass er über 40 Jahre mit Golem verbrachte. Er und sein Kollege arbeiteten so nah mit ihm, dass sie den Titel „Der Hof des Golems“ bekamen. Dann ist Golem XIV am Zug: die heutige Vorlesung dreht sich um das Thema „Der Mensch“. Er hat viel über uns zu sagen, aber am Deutlichsten wird seine Verachtung für seine Erschaffer. Diese steigert sich im Laufe des Stückes und findet ihren Höhepunkt darin, dass Golem nicht mehr mit den Menschen redet. Den Professor schmerzt das sehr. In einem wirklich glaubhaften Wutanfall beschimpft er den Computer aufs Wüsteste.
Das Stück endet mit einem starken Bild: Der Professor, nun hinter der Leinwand nur noch als „Schatten seiner selbst“ zu erkennen, steht bei den Musikern des Scenatets, die schon die ganze Aufführung über gespielt haben, was aber erst jetzt offensichtlich wird. Er beginnt mit beinahe verständlichen Worten, die schnell zu Unverständlichem werden, bis die Musik ihn komplett übernimmt und er nur noch ein schwaches Röcheln von sich gibt.
Im Stück selbst scheint die Musik nur Beiwerk zu Golems Präsentation zu sein. Kaj Duncan David stört das überhaupt nicht, er fühlt sich so gerade am Wohlsten, sagt er nach der Vorstellung. Musik muss nicht immer im Mittelpunkt stehen, sie kann auch Mittel zum Zweck sein. Hier hat sie die Atmosphäre meiner Meinung nach sehr gut unterstützt, man hat sich zeitweise gefühlt, als wäre sie wirklich von einer höheren Intelligenz komponiert, man konnte eine Struktur wahrnehmen, aber sie nie wirklich begreifen.