Was passiert wenn wir uns fremdartiger Musik hingeben? Wer öffnet sich fremdartiger Musik?
Glas zersplittert, wird über den Boden gefegt und fügt sich wieder neu zusammen. Gänsehaut breitet sich aus von einem Ton zum nächsten. Mit voller Wucht und Präzision schlägt jeder Ton von Séverine Ballon, jedes Ziehen. Beim Stück Wire and Wool von Ashley Fure spielen Cello und Elektronik gemeinsam und verursachen ein Gefühl fern von Behagen. Es ist eine Musik, die nicht verwöhnt sondern fordert. Ist das noch Musik? Ist es nicht eher ein Zusammenspiel von Geräuschen? Anfangs mag es einen abschrecken, es ist eben anders, als ein ,,normales” Cellostück. Wir müssen offen dafür sein, hören, was diese Musik mit einem macht. Und dann Ultimi fiori. Ganz in der Ferne, ein Zug in der Nacht. Er scheint nicht näher zu kommen, eher haucht der Wind melodisch an den Fenstern vorbei, bis das Spiel aufgebrachter wird, sich überschlägt und zwischendurch wie Papier reißt.
Die Komponistin Francesa Verunelli erzählt, dass es ihr so vorkam als läge der Tod dahinter, mit dem sie sich auseinandersetzte, aber nicht nur! Es steckt sehr viel mehr dahinter. Farben des Klangs bewegten in ihr etwas. Es entstand eine vielstimmige Melodie. Mit Hilfe von Verstimmung, genannt Scordatura, gibt das Cello den Intervallen eine neue Stimmung.
Es ist ein Erkunden von Mikrotönen, bei dem nur ein Teil der Saiten benutzt wird. Francesca beschreibt diese Musik als Abenteuer für die Ohren, eine experimentelle Erfahrung von Klängen, die den Hörer an einen anderen Ort bringt. Andere Musik kann das nicht. “Es ist schwer. Man muss sich trauen und enthusiastisch sein, um es zulassen zu können. Es ist eben nicht Mainstream, und danach suchen wir auch nicht. Vor allem junge Menschen wollen alles andere als im Mainstream sein, dafür muss man sich öffnen.”
Séverine Ballons Programm fokussiert sich auf Details, Einzelheiten, die man bei einem klassischen Stück nicht bewusst wahrnimmt. Die Cellistin beschreibt es so:
“Es wie mit einer Lupe, mit der man viele kleine Details vergrößert. Es ist wie Reisen; man geht in die Stücke hinein.”
Es fühlt sich an wie ein Ineinanderlaufen von Tönen und Geräuschen, die sich auftürmen bis eine bedrohliche Stille einsetzt. Stille, durchzogen vom gekonnten Ziehen und Streichen der Saiten. Als versuche sie ein Tier zu bändigen und ab und an, damit zu spielen.