Auf die Frage, wie er zur neuen Musik gekommen sei, sagt der Komponist Komponist, Oboist und Dirigent Heinz Holliger: „Ich weiß gar nicht, was Neue Musik ist, weiß nur was gute und schlechte Musik ist, ich habe das nie getrennt.“ Er lässt sich keinen Stempel aufdrücken und sagt später, mit Absicht etwas provokativ, er finde den Begriff neue Musik blöd. Im folgenden Interview waren wir komplett beeindruckt von dieser großen Persönlichkeit.
Seine Verbindung mit der Musik begann schon im frühen Kindesalter. Er berichtet, er habe mit neun angefangen Oboe zu spielen, mit zehn zu komponieren und ab zwölf hat er das geschrieben, was in ihm tönt. Worauf ein Leben mit internationalem Erfolg als Solo-Oboist und Komponist folgte. Trotzdem wirkt Holliger auf uns sehr bescheiden und er meint: „Beim Komponieren, wenn man ehrlich ist, komponiert man für sich selbst. Aber man ist trotzdem froh, wenn es kommuniziert, was man schreibt.“ Was bei seinen Kompositionen eindeutig der Fall ist. Der Komponist möchte sich stets treu bleiben, denn er sagt: „Ich probiere, dass ich nicht etwas mache, was ich nicht will, dass ich von niemanden manipuliert werde.“ Dann fügt er noch hinzu: „Das kann man sich als Musiker eben leisten, viele andere können das nicht.“
Bei unserem Gespräch wurde auch sehr stark das Thema diskutiert, wie Jugendliche zu Musik stehen. Holliger findet es traurig und meint: “Viele Leute, deren Großvater könnte Schönberg sein, sind dennoch nicht in der Musik von heute zu Hause.” Besonders überraschend fand ich seine Aussage: „Ich glaube nicht daran, dass es unmusikalische Menschen gibt.“ Dass gerade Heinz Holliger als wirklich Erfahrener in der Musikszene, diese Meinung vertritt. Jedoch glaubt Holliger, dass sich viele durch diese „Bum-Bum-Musik“ ihr Gehör haben “kaputt schlagen lassen. Immer diese Rhythmen, die es in der Natur so gar nicht gibt, denn ein Rhythmus ist so verschieden, wie wir auch sprechen”, erklärt uns der Komponist.
Während unseres Interviews spricht Heinz Holliger sehr viel über andere große Komponisten. Auf die Frage nach seinem Vorbild, nennt er viele Namen, wie Joseph Haydn, Debussy und Mozart. Jedoch zu Beginn sagt er: „Ich bin fast auf obsessive Weise, seit ich 14 bin, total Schumann-verrückt und es wird immer schlimmer.“
Schon das gesamte Ultraschall Festival über haben wir uns mit dem Gedanken politisch motivierter Musik beschäftigt. Wir fragten auch Herrn Holliger, wie er zu diesem Thema steht. „Ich bin sehr interessiert, politisch. Ich will Musik aber nicht als Transportmittel nutzen. Was man sagen und schreiben kann, soll man nicht komponieren.“
Der Prozess des Musikschreibens ist für Außenstehende sehr interessant, wie auch mögliche Hintergründe für eine Komposition. Wie das ganze bei Holliger aussieht, hat er wirklich sehr schön beschrieben: „Komponieren ist vielleicht das, wo man am einsamsten mit sich selber ist, aber auch am intimsten, dass man sich wirklich anschauen muss, was ist da drin und was finde ich gut, was finde ich schlecht.“
Darauf wollen wir noch wissen, ob man ganz unbeeinflusst komponieren kann. Er sei sehr unabhängig und ein Einzelgänger, sagte er uns, aber er sei auch abhängig von Einflüssen, wie jeder andere, auch wenn man nicht immer bewusst daran denke. Der Komponist fährt fort und sagt: „Aber alles, was man erfährt und sieht, prägt sich ein. Das bestimmt auch das Denken, man kann sich gar nicht mehr entziehen.“
Uns ist aufgefallen, dass dieser Mann nicht nur vor Humor und Sympathie sprüht, sondern auch, dass man ihn wirklich nirgends einordnen kann, da er viel zu komplex für eine einzige Schublade ist. Zum Schluss noch ein Zitat, über welches wir noch Stunden später nachgedacht haben.
„Für mich ist Musik, wie Atmen. Wenn ich nicht mehr atme, sterbe ich.“ –Heinz Holliger