Die ersten drei Sätze seiner „Hommage à Louis Soutter“ hat Heinz Holliger in den Jahren 1993-1995 für den 75. Geburtstag des Orchestre de la Suisse Romande komponiert. Der vierte Satz wurde 2002 nachkomponiert. Es handelt sich um die Vertonung von Gemälden des Schweizer Malers Louis Soutter. Dieser war in dessen erstem Jahr Geiger im Orchestre de la Suisse Romande gewesen, bis er aufgrund schlechten Betragens von Ernest Ansermet entlassen wurde. „Ich wollte ein Stück schreiben für das größte Genie, dass je in diesem Orchester gesessen hat“, sagt Holliger, bevor er ans Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin.
Im Stück wiederzufinden ist ein Auf und Ab, bei dem sich ruhige, bedrohliche mit aufgeregten und temperamentvollen musikalischen Phrasen abwechseln. Auf einen schnellen Strudel aus Orchesterklang folgt das Dunkle Spiel einzelner Instrumente. „Wie ein Positiv und ein Negativ. Wie die schwarzen und weißen Fingerzeichnungen Soutters“, erklärt der Komponist.
Im ersten Satz sind musikalische Zitate zum Beispiel von Eugène Ysaye oder Tschaikowski hörbar, die zwischen den Klängen Holligers Verwirrung stiften. Diese wird im zweiten Satz noch verstärkt und zelebriert. Anschließend wird die Aufregung in der Musik immer wieder abgebrochen, was ein Gefühl von Entrücktheit verursacht, bevor die Stimmung im vierten Satz gänzlich umschlägt. Dieser vierte Satz handelt von Soutters Bild „avant la massacre“ welches am Tag des Einmarsches der Deutschen in Polen zum Beginn des Zweiten Weltkriegs entstand. Holliger spricht seine Bewunderung für Soutters politische Kunst zu jener Stunde aus und spiegelt das düstere Gemälde in den dunklen Klängen des vierten Satzes wieder.
Das Solo-Instrument des Stückes ist die Geige, da sie auch Soutters Instrument war. Angelehnt an ein Gemälde eines geisterhaften Streichquartetts, hat auch Holliger in seiner Komposition ein Quartett zusammengestellt. Zur heruntergestimmten Geige kommen noch eine Harfe, die das Instrument Claude Debussys war, ein Cymbalon, für welches Debussy eine Oper geplant hatte, und ein Marimbaphon, das Instrument des Todes, hinzu. Alle Instrumente werden mit Bögen gestrichen, um den Gespenstischen Klang zu erreichen.
Man hört diesen klanglichen Gemälden gespannt zu und erkennt den feinen Malstil des Künstlers in der musikalischen Übersetzung Holligers wieder. „Hommage à Louis Soutter“ ist ein intensives Hörerlebnis, welches dazu anregt, sich mit den Werken des Malers selbst vertraut zu machen.