Es fühlt sich an als würde man auf einem Dachboden sitzen. Zwei Stuhlreihen, aufgebaut vor einer Handvoll Musikern. Die Atmosphäre ist gemütlich, geradezu freundschaftlich. Das Ensemble LUX:NM begrüßt uns zu seinen Proben, es folgt ein Stück mit dem Titel „Journal“. Konzentriert blicken die Musiker in ihre Noten und vertiefen sich in die Musik.
Die Stimmung im Raum ändert sich. In Wellen donnert die Musik und zieht den Zuhörer in ihren Bann. Die Töne scheinen Bilder zu malen, die von Takt zu Takt intensiver und deutlicher werden. Es sind schlechte, gar wütende Nachrichten, vorgetragen von Akkordeon, Cello, Saxophon, Synthesizer und Trompete.
Für den Laien zunächst verwirrend ist die scheinbare Willkürlichkeit des Stückes. Man versucht einen Takt zu zählen oder eine Harmonik zu erkennen, doch ohne genügend Vorwissen will es nicht gelingen. Die einzelnen musikalischen Phrasen sind abrupt und plötzlich wieder kontrolliert und keineswegs wirr. Schnell wird klar, dass Absprachen zwischen den Musikern unerlässlich sind um die musikalischen Bilder zu erzeugen. Auch, da das Orchester keinen Dirigenten hat. Die Art, wie sich die Musiker in der Musik fühlen, spielt eine große Rolle, erklärt die Saxophonistin und Mitbegründerin des Orchesters, Ruth Velten. Das gibt dem Klang etwas sehr Emotionales. Auch ohne selbst ein Instrument zu spielen, fallen einem Spieltechniken auf, die man aus der klassischen Musik nicht kennt. Die Musiker von LUX:NM erzählen, dass Komponisten oft eng mit dem Ensemble zusammenarbeiten und in sogenannten „Try-Outs“ ausprobieren, wie vielfältig die einzelnen Instrumente benutzt werden können. Welche Klänge erzeugt werden können, wenn man von den konventionellen Spieltechniken abweicht. Das Ergebnis sind zum Beispiel „Slaps“ oder „Multifonics“, für die der Komponist Zeichen verwendet, die in einer Legende in der Partitur erklärt werden müssen. Ohne große musikalische Vorerfahrung sind die Partituren, mit Rauten und Kringeln übersehen, schwer verständlich.
Doch nicht nur für Musiker kann Neue Musik eine Herausforderung sein, auch der Zuhörer muss offen für die Klänge sein, denn sie fordern hohe Aufmerksamkeit und die Verabschiedung von Hör-Gewohnheiten.
Andernfalls ist die Musik nur schwer verständlich. Man kann sie weniger distanziert betrachten, da sie einen in ihre musikalische Bildsprache mit einbezieht. Es ist einem nicht möglich, Neue Musik nur nebenbei zu hören. Das Genre, obwohl noch verhältnismäßig jung, ist ernst zu nehmende Musik. Wer nicht viel davon versteht, den könnte die Intensität und Emotionalität dieser scheinbar unharmonischen Musik vielleicht abschrecken, jedoch lohnt es sich, sich darauf einzulassen. Die Sprache dieser Musik ist beeindruckend deutlich und mitreißend. Die Einheit von Musiker und Komposition, die sich in den Klang-Bildern widergespiegelt, ist wohl das Faszinierendste an dieser etwas anderen, unkonventionellen Neuen Musik.