Der Komponist Yair Klartag besucht unseren UltraschallReporter-Workshop am Wochenende vor dem Festival.
Könnten Sie uns zunächst etwas über sich selbst erzählen?
Ich bin in Israel geboren und aufgewachsen. Als ich meinem dreijährigen Wehrdienst beendet habe, habe ich Musik Komposition und Informatik studiert. Nach meinem Bachelor bin ich nach Basel in die Schweiz gezogen um dort meinen Master abzulegen. In New York, an der Columbia Universität, habe ich dann ein Doktorat gemacht und jetzt bin ich bis nächsten Monat hier als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD für das Jahr 2017.
Sie haben es gerade schon angesprochen, Sie haben ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes erhalten. Was genau bedeutet das für Sie?
Das ist ein ganz besonderes Programm. Es ist noch aus den 50er Jahren um Künstler nach Berlin zu bringen. Jedes Jahr werden dafür zwanzig Künstler eingeladen, die dann ein Gehalt erhalten. Im Prinzip ist es ganz frei. Ich kann selbst meine Werke entwickeln. Der Deutsche Akademische Austauschdienst hilft mir, indem viele Veranstaltungen und Konzerte organisiert werden.
Sind Sie so auch zum Ultraschall Berlin Festival gekommen?
Ja. Es gibt eine Zusammenarbeit zwischen dem Berliner Künstlerprogramm und dem Ultraschall Festival, wobei mehrere Stücke der Künstler gezeigt werden. Oft ist es so, dass es ein Portraitkonzert gibt. Dieses Jahr haben die Intendanten entschieden meine Stücke in verschiedenen Konzerten mit verschiedenen Besetzungen aufzuführen. Das ist auch für mich ziemlich interessant.
Wenn Sie komponieren, lassen Sie dann auch Ihr Wissen aus der Informatik mit einfließen?
Also meinerseits geht es nicht um die Informatik. Ich habe keine Lust Musik mit dem Computer zu machen. Für mich sind das zwei Welten, die komplett verschieden sind.
Spielen politische Themen für Ihre Musik eine Rolle? Werden Sie davon beeinflusst?
Ich finde, als Komponist ist das immer ein bisschen komplex, weil Musik so abstrakt ist. Wenn ich etwas Politisches sagen wollte, würde ich etwas schreiben. Das wäre viel effektiver. Ich bin in einer politisch sehr komplexen Umgebung aufgewachsen. Das hat mich in meiner Persönlichkeit und Erfahrung beeinflusst und so wird es in der Musik reflektiert. Meine Musik ist nie direkt beeinflusst sondern reflektiert meine Gefühle in abstrakten Formen.
Werden die unterschiedlichen Orte, an denen Sie bereits gearbeitet haben, in Ihrer Musik reflektiert?
Ich finde diese Orte alle nicht so unterschiedlich, wie man erwartet. Mein Leben ist immer ziemlich ähnlich. Es ist nicht völlig anders in New York oder in Berlin. Die musikalische Szene ist in den USA ganz anders als hier und das hat schon einen Einfluss aber sonst ist das schwierig zu sagen.
Würden Sie sagen, Sie haben einen bestimmten Stil, in dem Sie komponieren?
Ich finde das Wort Stil ist ganz gefährlich. Ich komponiere einfach, was ich will. Meine Stücke sind da auch ganz unterschiedlich. Ich würde nicht sagen, dass ich einen Stil habe.
Wie wählen Sie ihre Klänge?
Das ist ein langer Prozess. Manchmal habe ich beim Komponieren das Gefühl, diese Klänge seien nicht von mir. Ich versuche immer etwas von meiner inneren klanglichen Welt auszudrücken. Wenn ich versuche mit anderen Klängen zu arbeiten, habe ich das Gefühl, das ist nicht ehrlich. Ich versuche einfach so gut wie möglich mein Inneres zu reflektieren.
Würden Sie auch Musik schreiben, wenn sie von niemandem gehört würde?
Ich schreibe nie für mich selbst. Das hat etwas mit Kommunikation zu tun. Wenn ich etwas von mir ausdrücken kann und das relevant für jemand anderen ist – das ist der größte Erfolg für mich als Künstler. Musik verstehe ich als Mittel der Kommunikation.
Gibt es von den Stücken die dieses Jahr beim Ultraschall Berlin Festival gespielt werden eines, auf welches sie besonders stolz sind?
Es sind alles ganz verschiedene Stücke. Besonders gespannt bin ich auf das Konzert am letzten Tag im Pierre Boulez Saal. Das Stück heißt „Con forza di gravità“. Es ist ein sehr visuelles Stück das mit Schwerkraft zu tun hat. Ich hatte dabei diese Metaphorik in meinem Kopf, ein Bild zu malen und die Farbe bleibt nicht haften, sondern fließt an der Leinwand herunter. Daraus entsteht die Mischung aus dem, was ich malen wollte und dem, was die Schwerkraft daraus macht.
Wie gehen Sie mit Zeitdruck beim Komponieren um?
Man sagt immer eine Deadline ist das Beste für die Kreativität. Für mich selbst, wirkt dieser Druck ziemlich gut. Wenn ich weiß, dass ich nur drei Wochen habe, finde ich die Ideen. Das hat auch etwas zu tun mit der Menge der Arbeit. Je mehr man arbeitet, desto mehr Ideen hat man. Es ist zauberhaft, irgendwie wirkt es.
Gibt es manchmal Hürden im Arbeitsprozess, die Sie überspringen müssen?
Das läuft parallel. Oft fange ich einfach mit Instrumenten an und spiele mit unterschiedlichen Klängen um Texturen zu schaffen, die ich mag und parallel läuft mein Denkprozess. Es ist so ein bisschen der Job eines Komponisten die Klänge und die Bedeutungen zusammen zu stellen. Es gibt einige Gedanken die zu verschiedenen Klängen passen. Im Prozess des Komponierens wird auch etwas von mir reflektiert. Zum Beispiel wenn ich etwas komponiere und rein klanglich arbeite und dann denke: „Okay, das war zu viel.“, dann muss ich das brechen und kann mich fragen warum ich das tue. Dann hat das was mit meinem Denkprozess zu tun. Auch bei der rein klanglichen Arbeit kommt meine innere Welt zum Spielen. Aber das kann auch von Stück zu Stück unterschiedlich sein.
Wie suchen Sie nach Klängen und was ist es für ein Gefühl, wenn Sie einen Klang finden, der großartig ist?
Manchmal habe ich eine genaue Vorstellung des Klangs und dann suche ich ihn und manchmal improvisiere ich einfach um einen Klang zu finden, der ein bestimmtes Gefühl wiedergibt. Es wäre schön wenn das Gefühl, wenn man einen guten Klang findet, fantastisch wäre. Tatsächlich, ist es das Gefühl von Arbeit. Ich muss diesen Klang finden und dann finde ich ihn. Das ist kein utopischer Moment. Der gute Moment für mich als Komponist, ist eher die Aufführung. Wenn ich allein zu Hause bin und einen schönen Klang finde, dann bin ich immer noch allein. Erst wenn meine Musik realisiert wird und ich sie teilen kann, dann ist das ein großartiges Gefühl.