Louis Soutter (1871-1942) war ein Schweizer Maler, welcher noch heute als ein bedeutsamer Vertreter der Art Brut, also der autodidaktischen Kunst von Menschen mit einer psychischen Krankheit, gilt. Er brach sowohl das Ingenieurstudium, als auch das Architekturstudium ab und gelangte zur Musik. In Brüssel unterrichtete ihn der Komponist und Geiger Eugène Ysaye bis Soutter 1894 in sein Heimatland zurückkehrte, um dort Mal-und Zeichenunterricht zu erhalten. Im Alter von 71 Jahren verstarb Soutter in einem Pflegeheim.
Das Orchestre de la Suisse Romande feierte im Jahr 1993 seinen 75. Geburtstag. Zu diesem feierlichen Anlass bekam der Komponist Heinz Holliger den Auftrag, ein Stück zu komponieren. Als er erfuhr, dass Louis Soutter selbst als Geiger dieses Orchesters tätig war, dann aber entlassen wurde, beschloss er in seinem Violinkonzert ,,Hommage à Louis Soutter” das Leben des Künstlers widerzuspiegeln.
Auf die Frage, was Heinz Holliger so an Louis Soutter fasziniere, dass er ein ganzes Stück, bestehend aus vier Sätzen, über sein Leben komponiere, beginnt Holliger zu erzählen, dass das ganze ,,einen anekdotischen Hintergrund” habe. An dieser Stelle erläutert Holliger den Auftrag des Komponieren eines Stücks anlässlich des 75. Geburtstags des Orchestre de la Suisse Romande. Holliger erwähnt, Soutter sei ,,wegen schlechten Betragens rausgeschmissen” worden, da er häufig Widerspruch geleistet habe. In Holligers Augen war Louis Soutter ,,das größte Genie, das je in diesem Orchester saß” und man hätte seine Vorschläge annehmen sollen.
Weiter erzählt Holliger, er ,,kannte den Maler schon sehr” und er sei ein ,,sehr eigensinniger Mensch”, ein ,,großer Visionär”. Gerade deshalb bedauert Holliger, dass Soutter ,,von der Familie unter Vormundschaft gestellt” wurde und bis zu seinem Tod viel Zeit ,,eingeschlossen in diesem Heim” verbracht hat. Auch betont Holliger, ,,er war nie als geisteskrank bezeichnet worden, von keinem Arzt.” Holliger kommt ins schmunzeln, als er noch hinzufügt, dass Soutter lediglich ,,plötzlich zwanzig Seidenkrawatten bestellt und die Rechnung seinem Bruder geschickt hat.”
Im weiteren Verlauf des Gesprächs spricht Holliger besonders begeistert über die malerischen Werke Soutters. Holliger ist erstaunt von ,, fast spinnenartigen Zeichnungen”, wie sie auch bei dem Werk ,,Avant le massacre” vorliegen. Den selben Titel trägt auch der Epilog des Violinkonzertes. Außerdem gefallen Holliger die später im Heim entstandenen mit Fingern gemalten Bilder, die für Holliger ,,Schattenformen” symbolisieren. Heinz Holliger entdeckt, dass man die Bilder Soutters zum Teil umdrehen kann und stellt somit auch einen Bezug zur Musik her, denn er findet es ,,sehr musikalisch, wenn man etwas spiegelförmig sieht.”
Man kann Heinz Holliger während des gesamten Gesprächs förmlich die Begeisterung für Louis Soutter ansehen. Holliger widmet sein Stück diesem in seinen Augen besonderen, aber auch ausgestoßenden Künstler und es gelingt ihm, uns als Zuschauern das Leben Soutters näher zu bringen.