Nach der Rihm-Liedmatinee führt der Festivalleiter Andreas Göbel ein Gespräch mit Christoph Prégardien und seinem Pianisten, Christoph Schnackertz. Weil uns das Konzert sehr gut gefallen hat und wir gerne mehr über die beeindruckend gute Zusammenarbeit der beiden erfahren wollen, folgen wir dem Strom der Besucher in einen Nebensaal des Radialsystems und nehmen Platz. Schon nach wenigen Minuten kommen auch die Künstler herein.
Wie zu erwarten, drehen sich die ersten Fragen um die Zusammenarbeit von Komponist und Künstler. Nach nur einem Konzertbesuch habe Wolfgang Rihm Prégardiens Stimme schon derart analysiert gehabt, dass seine Kompositionen „wie Butter in seiner Stimme“ seien, so der Sänger. Auch wenn sie musikalisch sehr anspruchsvoll sind, seien sie passgenau auf seinen eher baritonalen Tenor abgestimmt und daher für ihn gut zu singen. Die Liederzyklen verfügen nämlich über einige für einen Tenor relativ tiefe Passagen, die Herr Prégardien aber mit genauso viel Überzeugung und Kraft zu singen vermag wie die eher höher angelegten Stellen. Kraft, das ist ein anderes Stichwort, das fällt. Solche Lieder zu singen, sei nämlich physisch sehr anstrengen. Gerade im Zyklus „Ende der Handschrift“ seien die langsamen Passagen im Piano nur mit großer Spannung zu bewältigen. Er erklärt auch, dass er deshalb vor dem Konzert nur Wasser trinke, während es danach auch mal ein Glas Bier sein darf. Dann schmunzelt er und zeigt auf das Glas Wasser vor ihm, woraufhin ihm ein stattdessen ein Bier gebracht wird. So etwas könne man schließlich als Veranstalter nicht auf sich sitzen lassen, sagt die Dame, die es für ihn holen geht.
Die zweite Art der Anstrengung sei eher emotionaler Art. Grundsätzlich, so Prégardien, singe er keine Stücke, deren Verhältnis zwischen Text und Vertonung ihm nicht klar wird. Denn sonst könnte er nie mit der interpretatorischen Überzeugung singen, wie wir es so eben erlebt haben. Denn eine eigenständige Interpretation, das erwarte Wolfgang Rihm trotz der intensiven Zusammenarbeit von seinen Interpreten. Und das nicht nur vom Sänger, denn auch Christoph Schnackertz bringe trotz seines jüngeren Alters viel in puncto Interpretation ein, so Prégardien. Die beiden haben allerdings nicht immer schon zusammengearbeitet. Auch wenn Schnackertz Rihms Liederzyklen schon vor der Zusammenarbeit im Repertoire hatte, war er doch nicht der Pianist der Uraufführung. Ihre gemeinsame Arbeit begann erst später, nämlich im Jahre 2004.
Schnackertz erklärt, er fühle sich keinesfalls dazu gezwungen, sich als Pianist automatisch hinter dem Sänger zurückzunehmen. Das hänge ganz vom Stück ab; bei einigen Stücken ist es sogar gewollt, dass der Sänger im Klavierklang verschwindet. Und auch sonst habe sich da viel geändert im Laufe der Musikgeschichte. Schnackertz sei kein „Begleiter“, er sei Pianist. Und das ist ein gewaltiger Unterschied. Dem stimmt auch Prégardien zu. Außerdem erklärt er, dass es ihm bei Studioaufnahmen besonders wichtig sei, dass sich der Gesang in den Klavierklang integriere und nicht vor diesem steht. So mische es sich schließlich im Konzert auch, und das sei auch gut so.
Dass Herr Schnackertz für Prégardien ein sehr guter Pianist ist, zeigt sich auch darin, dass er seinen Sohn an ihn weiterempfohlen hat. Julian Prégardien singt ebenfalls Tenor, habe sich aber abgesehen von einzelnen Gesangsstunden sehr eigenständig seinen Weg in die Welt der Musik gesucht. Wie sein Vater arbeitet er seit 2011 mit Herrn Schnackertz zusammen. Julian Prégardien und Christoph Schnacketz sind im gleichen Jahr geboren. Es sei wichtig, dass die Generationen sich in der Musik zusammenfinden, so Prégardien. Deshalb sei ihm diese Zusammenarbeit besonders wichtig gewesen. Schmunzelnd und aufgrund einer konkreten Nachfrage gibt Schmackertz zu, dass es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Sohn gibt. Diese liegen vor allem in der Begeisterungsfähigkeit beider und dem Ehrgeiz, sich etwas zu erarbeiten.
Sich etwas zu erarbeiten, dass sei nämlich für Christoph Prégardien, der nicht über ein absolutes Gehör verfügt, vergleichsweise schwierig. Gerade in Rihms Liederzyklen seien zwar die Gesangsstimme und die Klavierstimme jeweils in sich harmonisch schlüssig, wollen aber oft so gar nicht zusammen passen. Das ist für Prégardien dann oft ein Punkt, an dem er an seine Grenzen stoße. Dennoch stelle er sich solchen Herausforderungen immer wieder gerne, auch weil er glaubt, dass man sich ohne absolutes Gehört vermutlich intensiver mit den Stücken auseinander setzt.
Nach den Erlebnissen der letzten Tage scheint es auch Andreas Göbel nur logisch zu fragen, warum sich Prégardien und Schnackertz für diese eher klassische neue Musik entschieden haben, ob sie auch weiter von den klassischen Techniken entfernte neue Werke singen bzw. spielen und wo denn bei Ihnen die Grenze dessen ist, was Ihnen „zu alternativ“ ist. Interessanterweise beantworten die beiden Befragten diese Frage auf sehr ähnliche Art und Weise. So erklärt Christoph Prégardien, dass er nur „kantable“ Stücke singt, d.h. Stücke, die im klassischen Sinne gesungen werden können und außerdem nicht seine Stimme beschädigen. Außerdem sei es ihm wichtig, dass die Singstimme einen Text singt und nicht nur, wie es heutzutage mehr und mehr verbreitet sei, als Instrument fungiere. Auch dem Pianisten fällt es schwer, sich mit Stücken anzufreunden, die über die für das Klavierspielen übliche Technik hinausgehen. Er habe, wenn auch mehr durch Zufall, in seinem Repertoire an neuer Musik nichts, bei dem im Klavier gezupft oder andere alternative Spieltechniken angewendet werden müssen.
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