UltraschallReporter interviewen P. Maintz ©Annika WegnerGrauer Kapuzenpullover, olivgrüne Cargohose, leuchtend orange Turnschuhe und zwei Ohrringe im linken Ohr, der Komponist Philipp Maintz sitzt in der Leseprobe seines Stücks „Triptico verticale“ im großen Sendesaal im Haus des Rundfunks. Nach der Probe ist er bereit, Fragen zu beantworten – unter der Bedingung, nicht gesiezt zu werden.
Philipp Maintz ist bekannt dafür, dass seine Werke bis ins kleinste Detail berechnet sind. Dafür nutze er Fraktale, mathematische Objekte mit begrenztem Flächeninhalt aber unbegrenztem Flächenumfang. Wie das geht, ist natürlich unsere erste Frage.
Die Methode, Stücke im wesentlichen von Computern nach bestimmten Algorithmen entwerfen zu lassen, antwortet Maintz, sei vor 15 – 20 Jahren in Mode gewesen. Die Notation von Musik sei im Grunde genommen auch nur Geometrie, die Tonhöhe die y- und die Zeit die x-Achse. Hiermit lassen sich geometrische Konzepte, z. B. Fraktale, in die Musik umsetzen. Es ist allerdings so, dass der Komponist ein einfacheres Stück dem Algorithmus zum Berechnen eines Fraktals übergibt und der Algorithmus diesem daraus ein Stück macht, dass dann noch zu korrigieren sei. Er selbst sei davon inzwischen wieder etwas abgerückt. Er lasse zwar weiterhin den Computer seine Grundstruktur schreiben, aber er verändere seinen Algorithmus so lange, bis das Bild herauskommt, das er schon im Kopf hatte. Der der Weg über eine Berechnung sei also eigentlich nicht mehr notwendig, da er, Maintz, ja so das Stück sowieso selber schreibe, nur eben auf andere Art und Weise. Für ihn selbst sei auch sehr bezeichnend, dass er unglaublich viel schreibe und wieder verwerfe, so habe er „Triptico verticale“ effektiv viermal geschrieben, bevor das Werk fertig war. Daraus lässt sich auch ableiten, dass er häufig sehr kurz vor der Uraufführung erst fertig wird.
Philipp Maintz ist bei “Triptico verticale”, wie auch bei vielen anderen seiner Stücke, von Gedichten inspiriert gewesen. Während des Interviews wurde deutlich, dass er dabei den Umgang mit Gedichten, wie er in der Schule unterrichtet wird, ablehnt, denn kein Kunstschaffender zähle seine verwendeten rhetorischen Mittel oder füge diese bewusst ein. Es gehe ihm vielmehr darum, was ein Gedicht ausdrückt, welche Bilder, welche Stimmung es vermittelt. Nicht zuletzt aber muss es auch zu der aufführenden Künstlerin passen, für die dieses Stück geschrieben ist. Maintz verglich sich deshalb mit einem Schneider, der ein maßgeschneidertes Abendkleid nähe und in den ersten Proben vor der Uraufführung die Anprobe habe, um die Singstimme perfekt auf die Sängerin anzupassen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass er recht wenig auf den Dirigenten einwirkt, der sein Stück aufführt, sondern ihn machen lässt, weil „der Interpret auch interpretieren soll“.
Vor allem bei der Frage, wie man eigentlich ein Stück für Orchester komponiert, ohne es jemals währenddessen zu hören, besteht für uns Klärungsbedarf. Philipp Maintz’ Antwort ist sehr simpel. Das sei Erfahrungssache, und er habe ja immer die Möglichkeit, sich an bereits bestehender Kunst zu orientieren. So werde zum Beispiel die gleiche Instrumentierung bei gleichen oder ähnlichen Tönen und Lautstärken immer auch ähnlich klingen. Darüber hinaus, lacht er, habe er aber bei jedem Stück, das er komponiere, während der ersten 100 Takte das Gefühl: „Du hast dir eindeutig ein zu großes Projekt vorgenommen.”
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