Viel wissen wir nicht über das Stück, als wir im Rahmen des „UltraschallReporter“-Projektes in die Probe des Deutschen Symphonie-Orchesters gehen. Mauricio Kagel, der Komponist des Werkes, das gerade geprobt wird, hat sich von Debussy vor allem in einem Punkt inspirieren lassen – einer gemeinsamen Abneigung gegen Interviews. Daraus entstand Kagels Idee, Fragmente aus Texten, die Debussy über Musiktheorie und Ästhetik verfasst hat, von einem Schauspieler (auf Französisch) über von Kagel komponierte Musik einsprechen zu lassen. Am Ende erhielt das Werk den Namen Interview avec D., pour Monsieur Croche et Orchestre, wobei sich hinter dem Namen „Monsieur Croche“ Debussys Pseudonym verbirgt, unter dem er viele seiner Essays veröffentlichte.
Wir hören die erste Probe des Orchesters, noch ohne den Sprecher Udo Samel. Natürlich hat jeder der Musiker bereits die Partituren erhalten und seine Stimme einzeln geprobt, doch erst jetzt, vier Tage vor der Aufführung des Werkes, beginnen die Tutti-Proben. Die Querflötistin Kornelia Brandkamp erzählt von der Probenarbeit, während hinter uns die Aufbauarbeiten für die Uraufführung eines Werkes von Johannes Kalitzke im Gange sind, das ebenfalls im Eröffnungskonzert von Ultraschall Berlin 2017 erklingen soll. Die ersten Geräusche des Samplers, der auch Teil des Werkes ist, werden ausgesteuert, während wir gemeinsam einen Blick auf die Noten vom „Interview avec D.“ werfen. Dazu erzählte mir Kornelia Brandkamp: „Im Grunde sind die Noten dieses Stückes ganz normal, es liegt alles im spielbaren Bereich und ist auf Notenlinien geschrieben. Da haben wir beim letzten UltraSchall schon ganz anderes Notenmaterial gesehen.“ Später ergänzt sie, dass die Herausforderung bei diesem Stück eher darin liege, perkussive Klangvorstellungen des Komponisten auf der Querflöte umzusetzen. „Er schreibt hier Pizzicato, also müssen wir versuchen, das Pizzicato der Streicher auf unserem Instrument zu erzeugen. Im Endeffekt geht es darum, dem Dirigenten etwas anzubieten. Und er sagt dann, ob es dem entspricht, was er hören will“. Gerade beim Werk Kalitzkes wäre es daher eine große Hilfe, dass der Komponist auch gleichzeitig Dirigent ist, da es in einem noch größeren Maße die Möglichkeit gibt, Fragen zu stellen und konkretes Feedback zu erhalten.
Auch wenn „Interview avec. D.“ schon vor 20 Jahren uraufgeführt wurde und somit nicht mehr zur brandaktuellen Musik gehört, bedarf es doch intensiver Vorbereitung, um eine erste Leseprobe nur vier Tage vor der Aufführung anzusetzen zu können. Eine Zeit, die einem als Laie zunächst sehr gering vorkommt, auch wenn es für Profis natürlich zum Alltag gehört. „Jedes dieser Stücke unterscheidet sich von den beiden anderen, und es sind eben keine Stücke, die man jeden Tag aufführt“, sagt Kornelia Brandkamp. „Wenn ich im Gegensatz dazu Schumann spiele, dann weiß ich eigentlich bereits vorher, wie es am Ende klingen soll. Ich habe es schon mal gespielt und es gibt viele Aufnahmen von anderen Orchestern. Bei Stücken die so einzigartig und untereinander verschieden sind wie diese hier ist das natürlich nicht so einfach“ erzählt mir Kornelia Brandkamp. Für sie gehören zur Vorbereitung der ersten tutti Probe neben dem Studium der Noten vor allem das Anhören von Aufnahmen und das Auseinandersetzen mit den Komponisten und Komponistinnen.
Im Gespräch stellt sich schnell heraus, dass es schwer ist, nach der ersten Leseprobe bereits Aussagen über das Stück allgemein treffen zu können. Verständlich, schließlich fehlt ja noch der eigentlich wichtige Part. Die Stimme, die den Inhalt, durch die Texte Debussys vermittelt. Es ist ein Prozess von der ersten Probe bis zum Konzert und momentan ist nur die erste Stufe dieses Prozesses zu hören. „Bis jetzt gefällt es mir persönlich vom ersten Eindruck her sehr gut, da es abwechslungsreich ist, gut klingt und auch spielbar ist. Aber wir kennen ja noch nicht alles und es wird natürlich spannend sein, das Ganze dann komplett im Konzert erklingen zu hören.“
Der Debussy Gedanke bleibe ihr jedoch im musikalischen Sinne bisher noch verborgen. Auch dies, so meint sie, hinge vor allem davon ab, dass das Orchester sich zunächst zusammenfinden müsse, bis man tatsächlich zur musikalischen Arbeit kommen könne. „In der ersten Probe muss erst jeder seinen Platz im Orchester finden, erst dann können wir die Musik zum Schwingen bringen. Das ist eben unsere Aufgabe als Profimusiker, diesen Prozess anzustoßen und schnell das, was gefragt ist, umzusetzen.“
Später kommen wir auf die Uraufführung von Johannes Kalitzkes Werk zu sprechen. Dabei erzählt Kornelia Brandkamp, wie einzigartig es sei, ein Stück als Erste auf die Bühne bringen zu können. „Es ist jedes Mal ein besonderer Moment.“ Das glaube ich ihr ohne Zweifel und freue mich auf das Konzert am 18.01.
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