Wie wäre es, wenn man sich in mehrere Stücke teilen könnte? An mehreren Orten gleichzeitig sein könnte?
Gestern Mittag war der Treffpunkt für die UltraschallReporter die Sophienkirche, die Probe für das Klarinettenkonzert heute um 16 Uhr. Doch zur gleichen Zeit begannen auch die Proben für das Musiktheater im Radialsystem. Zwei Wahlmöglichkeiten, was nun?
Der Plan: Erst einmal mit Jörg Widmann, dem Klarinettisten und Komponisten einiger Stücke des Konzerts ein Interview führen und gleichzeitig einen Eindruck von den Proben gewinnen. Doch leider werden zunächst vor allem technische Dinge abgesprochen und wenig Klarinette gespielt, bevor es richtig losgeht. Jörg Widmann bekommen wir also so schnell nicht zu fassen. Bleiben oder gehen? Zu dritt entscheiden wir, zum Radialsystem zu fahren und möglicherweise noch einmal zurückzukehren, um das Interview mit Widmann zu führen.
Wie erwartet sind die Proben zum Musiktheater schon in vollem Gange. Also haben wir auch hier schon einen Teil verpasst. Per SMS die Nachricht: Jörg Widmanns Probe ist vielleicht doch schon bald zu Ende. Gehen oder Bleiben? Wir entscheiden uns für: Gelassenheit. Und bekommen dafür einen wunderbaren Einblick in das Musiktheater. Die bedrückende und verzweifelte Atmosphäre von Sommertag, komponiert von Nikolaus Brass. Dass die Musiker verteilt im Raum spielen und es keine Bühne gibt. Dass die Stühle die in vier Blöcke unterteilt sind, so dass in der Mitte und zwischen den Sitzreihen gespielt wird. Als wäre man als Zuschauer Teil der Aufführung. Alles hautnah. Die an die Wände projizierten Bilder, entwickelt aus Musik und Handlung. Der Andere, gespielt von Christian Stübner, der es allein durch Gesten schafft, seine Rolle zu verkörpern. Die klaren Stimmen der Neuen Vocalsolisten, die selbst in der Probe immer den Ton treffen und den richtigen Einsatz schaffen, ganz ohne Stimmgabel oder Dirigent. Wie ist das möglich? Die Sängerin Susanne Leitz-Lorey verrät uns, dass sie sich vor allem an den Instrumenten orientieren, aber auch aus dem Gedächtnis intuitiv den richtigen Ton zur richtigen Zeit treffen.
Nach der Probe führen wir ein Interview mit dem Komponisten Nikolaus Brass. Begeistert spricht er über sein Leben mit der Musik und wie er auf das Theaterstück Sommertag von Jon Fosse stieß. Beim Erzählen lässt er auch die kleinen Details nicht aus, und am Funkeln in seinen Augen ist deutlich zu erkennen, wie viel Spaß ihm die Arbeit mit der Musik macht. Kein Wunder, dass das Gespräch über 20 Minuten dauert.
Erst abends beim Konzert des ensemble recherche erfahren wir, dass die Probe mit Jörg Widmann doch bis nach 16 Uhr ging, zeitlich wäre es also durchaus möglich gewesen, noch einmal zurück zu fahren. Man kann eben nicht alles erleben, und dafür konnten wir eine tolle andere Probe in Ruhe genießen.
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