„Sorry“, hallt es durch den Kleinen Sendesaal im Haus des Rundfunks. Die Instrumente verstummen. Überraschtes Aufblicken, geweckt aus der Ruhe die sich Dank der Musik ausbreitet. Alle schauen sich um, um die Ursache für die Unterbrechung herauszufinden und sehen den Bratschisten zwischen den Stuhlreihen entlang hasten. Ein Raunen geht durch das Publikum. Anscheinend ist eine Saite der Bratsche gerissen.
„Endlich“, ist mein erster Gedanke. Nicht weil die Musik so schlimm ist, dass eine Pause nötig wäre. Absolut nicht. Doch bereits am ersten Tag des Festivals habe ich mich gefragt, wann es so weit sein würde. Denn die Saiten der Streichinstrumente wurden so sehr beansprucht, wie ich es selten bei einem Konzert erlebt habe. Die Saiten wurden an den unmöglichsten Stellen gespielt. Direkt unterhalb der Schnecke oder zwischen Steg und Saitenhalter. Sie wurden so schnell und stark gespielt, dass die Haare der Bögen rissen. Und natürlich wurden sie gezupft. Immer wieder, auch mit dem Ende des Bogens (Frosch) und so, dass die Saiten manchmal noch lange nachvibrierten.
Doch eigentlich überraschend, dass es gerade bei dem Reigen seliger Götter, Streichquartett Nr. 2 von Helmut Lachenmann passierte. Ein so ruhiges und schwebendes Stück, dass es fast so scheint, als habe Helmut Lachenmann es sich zur Aufgabe gemacht, die Streicher so leise wie möglich erklingen zu lassen. Doch dann ein Charakterwechsel. Die Saiten werden mit Plektrum gezupft, wobei schließlich eine Saite reißt. Der Bratschist entschuldigt sich und zieht in Windeseile eine neue Saite auf. Ohne weitere Unterbrechungen wird das Stück, als wäre nichts gewesen, ganz professionell zu Ende gespielt.
So begann das erste Konzert des letzten Tages, der leider viel zu schnell kam.
Auch wenn ich es am Anfang nicht unbedingt gedacht hätte, wird mir der ständige Kontakt mit der neuen Musik und dem Schreiben fehlen.
Zuerst war das alles fremd. Die Musik war gewöhnungsbedürftig, die vielen Konzerte und der wenige Schlaf anstrengend und die Nervosität vor den Interviews verunsichernd. Das ständige Schreiben machte zwar Spaß, bedurfte aber auch viel Kreativität und Einfallsreichtum. Und nun, nach knapp einem Tag ohne Konzert, vermisse ich die Musik, die Aufgeregtheit, den Austausch mit Musikern und Komponisten. Wenn ich mir jetzt ein Glas Wasser einschenke, denke ich an Simon Steen-Andersens „Double up“ mit seinen Klang-Effekten. Oder während ich diesen Artikel tippe und das Klacken der Tastatur höre, erinnere ich mich an das Werk „Docudrama 01 – Orph & Eury“ von Miroslav Srnka. Und wenn ich Radio höre, kommt mir mit einem Mal alles zu reglementiert vor, nirgends ein überraschender Klang.
Ich habe in den Tagen viel übers Schreiben und vor allem die Neue Musik gelernt. Ich werde bestimmt bald wieder in ein Konzert mit Neuer Musik gehen, ohne vorher die Proben gehört zu haben. Ohne mir während es Konzerts Notizen zu machen und anschließend einen Text zu schreiben, und ich werde es vermissen.
wolfgang meint
toll, aber trotzdem reigen die geister, nicht die götter…