Im zweiten Stück des Eröffnungskonzerts, Zones de turbulences des französischen Komponisten Philippe Manoury, ergaben sich wilde, zackige Passagen von mir bisher unbekannten Klängen. Beim konzentrierten Zuhören haben mich die neuen Klänge des Orchesters und des GrauSchumacher Piano Duos verwundert, überrascht und trotzdem gefesselt. Mit dem Ellbogen gespielte Toncluster schienen einen neuen Raum zu erschließen, in dem es keine Anhaltspunkte, kein Metrum und keine Harmonien gibt.
Die Musik in dieser anderen Atmosphäre war trotz des fehlenden Metrums und Harmonie wahnsinnig energiegeladen, ich fühle mich, als würde ich in einem leeren Raum schweben, der trotzdem gefüllt war mit Klängen und Energie. Doch fiel es mir schwer, das ganze Stück hindurch der Musik meine Energie zu geben, um die gleiche zurück zu bekommen. Es ist hart, die ganze Zeit konzentriert zu bleiben und nicht abzuschweifen, denn schnell ist der Kopf überfordert. All die fremden Klänge stiften Verwirrung und spielen mit den eigenen Erwartungen und Hörgewohnheiten. Ich habe die meiste Zeit einen stetigen Rhythmus vermisst, eine Art Rückgrat in der Musik, und tauchte dieses dann endlich auf, war es mindestens nach zwei Takten wieder vorbei. Die Musik lebt von dieser Achterbahnfahrt der Gefühle und Erwartungen des Zuhörers, vergleichbar mit einem packenden, spannenden Film: Man erwartet den Mörder hinter der Tür, man zerreißt innerlich vor Spannung und ist unendlich erleichtert, wenn die Szene vorüber ist.
Das Konzert war eine Art Achterbahnfahrt, die jedoch ihre Auflösung dieser Spannung nie erreicht. Die Energie nimmt nie ab. Doch um diese Energie der Musik voll abzubekommen, muss man ihr gleichzeitig durch konzentriertes Hören Energie einspeisen, was auf Dauer anstrengend werden würde. Zones de turbulences – ein Energiebündel, das aber auch nur durch Energiezufuhr des konzentrierten Zuhörens geöffnet und aufgenommen werden kann.
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