Als ich mich auf den Heimweg des Eröffnungskonzertes begebe, bin ich erschöpft. Schließlich ist es eine Hochleistung, sich auf Neue Musik zu konzentrieren oder sie gar zu verstehen. Ohne große Anstrengung jedoch fallen mir – noch bewusster als zuvor – zahlreiche Geräusche auf: Der Wind, die S-Bahn, Schritte, eine Rolltreppe, schließlich das Schloss in der Tür und zuletzt die Müsli-Tüte. Meistens dauern sie nur kurz und gehören zu der Tätigkeit schlichtweg dazu. Ich frage mich, wie ich auch nur eines dieser Geräusche von einem Orchester nachmachen lassen würde. „Das geht doch gar nicht“, will ich mich flüchten; „nur eine Tüte kann so rascheln, nichts anderes.“
Simon Steen-Andersen gelingt diese Imitation in seinem Stück Double Up. Die von dem Sampler abgespielten Klangfetzen erklingen ebenfalls im Orchester. Zwar sind es tatsächlich Laute, die leichter nachzuahmen sind, wie Sirene, Telefon oder einfach Wortfetzen, doch werden auf eindrucksvolle Weise besonders die musikalischen Elemente Melodik und Rhythmik aus den alltäglichen Geräuschen gefiltert, in ihre Bestandteile zerlegt und notierbar gemacht. Besonders in der ersten Hälfte dieses Werkes aus dem Jahre 2010 kann ich mir einen Comic hervorragend vorstellen, welcher einen Tageslauf beschreibt. Dieser ist hierbei natürlich in wenige Minuten gepresst, sodass das Stück oft gehört werden müsste, um die Einzelteile zu begreifen.
Nicht nur wegen seiner Komplexität und des großen Aufgebotes an Schlagwerk und sonstigen Gegenständen wie Kartonagen, Sandpapier oder Plastiklinealen steht Double Up am Anfang des Festivals für Neue Musik, sondern auch, weil es – wie so oft angewandt in der Neuen Musik – ein neues Bewusstsein schafft für die Musik in allen Dingen.
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